Wenn Gerlinde Schermer nach dem Berliner Wasser gefragt wird, überschlägt sich fast ihre Stimme. „Privatisierung der Wasserversorgung ist generell schlecht, weil sie immer zulasten der Bürger geht“, sagt sie. Die Ostberlinerin saß acht Jahre für die SPD im Abgeordnetenhaus. Jetzt ist sie eine der erbittertsten Gegnerinnen der Teilprivatisierung des Berliner Leitungswassers. „Wenn bei einer kommunalen Wasserversorgung Fehler passieren, kann der Bürger die Verantwortlichen abwählen. Wenn nach einer Privatisierung die negativen Folgen sichtbar werden, kann der Bürger nur eins tun: Sie erdulden oder eine Revolution starten.“
Berlin war 1999 eine der ersten größeren deutschen Städte, die ihre Trink- und Abwasserversorgung privatisierten, umgerechnet knapp 1,7 Milliarden Euro brachte das dem Haushalt damals ein. Mittlerweile sind in Deutschland 40 Prozent der Wasserversorgung privatisiert oder teilprivatisiert, unter anderem in Braunschweig und Görlitz sowie in zahlreichen kleineren Kommunen, vor allem in den neuen Bundesländern. In Berlin wurde den beiden Unternehmen RWE und Veolia, die zusammen 49,9 Prozent Anteil an den Wasserbetrieben halten, eine jährliche Rendite zugesichert. Schermer meint, dass dies der Hauptgrund für den steigenden Wasserpreis in der Hauptstadt sei. 1999 kostete der Kubikmeter noch 1,764 Euro, seit dem 1. Januar 2007 sind es 2,241 Euro. Der französische Umweltdienstleister Veolia Environnement S.A. gehört mit seiner Wassersparte zu den weltweit größten Wasserversorgern: Veolia Water erwirtschaftete im Jahr 2006 insgesamt 10,088 Milliarden Euro. An den Berliner Wasserbetrieben hält Veolia Water 24,95 Prozent. Veolia-Sprecher Helmut Lölhöffel weist dagegen darauf hin, dass die Wasserpreise inflationsbereinigt in Berlin auf dem Stand von 1997 geblieben seien, und das trotz der zahlreichen in das Wassernetz getätigten Investitionen.
Privatisierung ist immer ein umstrittenes Thema, egal ob es um Gas, Strom oder Telekommunikationsdienstleistungen geht. Doch das Berliner Beispiel zeigt: Beim Wasser ist die Diskussion besonders emotional. „Wasser ist keine übliche Handelsware wie Autos“, sagt Michaela Schmitz vom Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). „Wasser ist eine im Naturkreislauf eingebundene und sich erneuernde Umwelt- und Lebensressource, es ist unersetzbar.“ Hans-Peter Portner wiederum sieht das ganz anders: „Viele sagen, Wasser sei ein Grundrecht. Ich sage, Wasser ist ein ökonomisches Gut.“ Der Schweizer ist der Fondsmanager des ersten, aber bei Weitem nicht mehr einzigen Wasserfonds der Welt, eines Anlegerfonds, der sich auf Unternehmen aus der Wasserbranche spezialisiert hat – wie beispielsweise Veolia. Mit der steigenden Weltbevölkerung und einer auf Wasser angewiesenen Industrialisierung in den Schwellen- und Entwicklungsländern steigt auch der globale Wasserbedarf, derzeit um zwei bis drei Prozent pro Jahr. Die sich abzeichnende Wasserknappheit ruft Investoren auf den Plan: Von „blauem Gold“ und dem „Öl des 21. Jahrhunderts“ ist die Rede, der globale Investitionsbedarf in den nächsten Jahren wird im hohen dreistelligen Milliardenbereich veranschlagt. Schon wird von riesigen Tankern geträumt, die in Zukunft Wasser transportieren, und von langen Pipelines, die wasserarme Regionen versorgen. Und immer geht es auch um Privatisierung. Zurzeit sind weltweit neun Prozent der Wasserversorgung privatisiert, Hans-Peter Portner geht davon aus, dass es bis zum Jahr 2015 bereits 15 Prozent sein werden. Damit steigen natürlich auch die Möglichkeiten, in den Wassermarkt zu investieren. Übertriebene Euphorie hält Fondsmanager Portner allerdings für unangemessen. „Wir glauben nicht, dass Wasser zum blauen Gold wird. Wir sagen nur: Knappheit führt zu Preissteigerungen und diese zu Investitio-nen. Das mit den Tankern ist keine praktikable Lösung. Wer etwas für seine Enkel anlegen will, tut dies typischerweise in Wasserfonds, das ist eine Anlage mit langer Perspektive.“ Die Zukunft, und damit die Investitionsmöglichkeiten, liegt daher vor allem im Aufbau lokaler Wasserver- und -entsorgung.
Ein zweiter Zukunftsmarkt: Aus Meerwasser wird Trinkwasser. 100 Milliarden Euro, so schätzt man bei der Deutschen Meerwasserentsalzung e.V., werden in den kommenden zehn Jahren in diesen Bereich investiert. Ist es eigentlich moralisch verwerflich, in Fonds zu investieren und damit privaten Unternehmen Geld und Macht im Verteilungskampf um den weltweiten Wassermarkt zu geben? „Die zu tätigenden Investitionen sind gewaltig. Ohne das Geld Dritter können viele Entwicklungsländer es nicht schaffen, sich eine gesicherte, gesundheitlich einwandfreie Trinkwasserversorgung und eine ordnungsgemäße Abwasserreinigung aufzubauen“, sagt Michaela Schmitz vom BGW. Andererseits, so Kritiker, werden die Preise höher, ärmere Bevölkerungsschichten könnten sich das Wasser oft nicht leisten. Um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, müsste der jeweilige Staat subventionierend eingreifen – da sind sich die Experten einig.
Gerlinde Schermer will keine Subventionierung. Sie möchte die kommunale Wasserversorgung zurück. „Wir starten gerade ein Bür-gerbegehren, Ziel ist die Rekommunalisierung der Berliner Wasserversorgung.“ Denn für die Unternehmen stünde vor allem die Rendite im Vordergrund. Es sei zum Beispiel nur halb so viel in neue Anlagen investiert worden wie vor der Privatisierung, dafür seien gleichzeitig die Wasserpreise in Berlin um 28 Prozent gestiegen.
Privatisierung bleibt für Fondsmanager Hans-Peter Portner dennoch die richtige Entscheidung: Durch Synergie-Effekte und Know-how-Vorsprung könnten die Wasserpreise um bis zu 30 Prozent gesenkt werden: „Aus einer rein kostenorientierten Sicht ist Privatisierung die optimale Lösung.“