Jean-Pierre Bierbichler hat aus „Gaudi“ den ersten Allgemeinen Bayrischen Wortschatz zusammengestellt und einen Sprachkurs entwickelt, von dem es bislang zwölf Lektionen im Internet gibt. Jetzt wartet er in einem Münchener Biergarten, um die fluter-Leser bei einer zünftigen Mass in die Geheimnisse des Hochbayrischen einzuweihen. Zwei Gänse nähern sich vom See her und steuern auf die Reste einer Riesenbrezel zu. „Schleicht’s aich! Zupft’s aich!“, ruft er. „Die san fei g’färlich.“ Und schon sind wir mitten im Gespräch.
fluter: Grüß Gott, Herr Bierbichler, hier in München scheint ja kaum mehr einer Bayrisch zu sprechen. Was ist denn los?
Bierbichler: Na, des dad i ned song. Es is a so, dass d’ Laid wieder fui mehr in’d Richtung Tradition gengan. Boarisch is a Identifi kationsmerkmal.
Kommt man sich schneller näher, wenn man Bayrisch spricht?
Freilich, weilst du sofort woast, der is a vo da. Der muas irgendwo aus der Gengd sei, im Näheren Umkreis vo dreihundert Kilomeder, weil sonst spricht ma koa Boarisch mehr.
Wie in einer Art Stammesgesellschaft oder Familie?
Bierbichler: Heimat! Du konnst di auf an Bayern verlassen, selbst wennst’n goar ned kennst. Da gibt’s überhaupt koane Resantimans. Na, kumm pass auf, bogg ma zamm, hoif ma uns.
Wie ist das mit den Zugereisten?
Zuaogroasdn!
Genau, die meine ich. Haben die denn überhaupt eine Chance Ihre Sprache jemals zu lernen?
Bayrisch kamma ned so einfach lerna. Mit dem muasd aufwachsen. I vergleich des immer mit dene Knackslaute in Afrika. Des wennst ned von Kind auf konnsd dann glernst as nimma. Wobei i dazu song muas – a jeder, der wo vasuacht Boarisch zum rehn – höxtn Reschpeggt! Weidamacha! Wemma drobleibt: a bisserl a Grundvokabular kamma lerna, damit ma ned ganz so nackat dasteht.
Hilft es denn, wenn man viel Bier trinkt?
Bei mia geht’s a wenn i nüchtern bin. Aber i hob des scho g’hert bei andere Leid. ’s geht leichter über’d Libbn. Aber vorher mussa a weng lerna.
Ist denn Aichkatzelschwoaf wirklich das schwierigste Wort auf Bayrisch?
I hob heid oam versuacht des Woard Gschwoischädl beizubringa. Kwoischl? Gschwoischädl! Des is oana der fui red und ois besser woas. Des is hoid so a aufbumbda Möchtegern.
Ist das Ihr Lieblingsschimpwort?
Na, Zipfi kladscher. (lacht sich halbtod)
Jemand, der einen Zipfel hat und dann …
Den batschda!
Verstehe.
Oder Bruntzkachl. Woast, was a Bruntzkachl is?
Nein.
Stoi da vor: Pissoir und da is a Fliesn dro. Und des is a Bruntzkachl.
Ist Bayrisch eigentlich eine respektlose Sprache? Ich habe das Gefühl, da wird sich immer geduzt.
Mia san mia und mir hoidn zamm. Da gibt’s ka Sie, da gibt’s koan Du-bist-besser-wie-i oder I-bin-besserwie-du. Da gibt’s bloß mia!
So wie im Kommunismus?
Mia ham so a Art, song ma: Solidarität. Söibsd da Kloane, der auf’d Stross lebd, der konn sie immer noch mid dem identifiziern über d' Sprach.
Den Sprachkurs findet ihr auf www.bayrisch-lernen.de