Über Kamerun wissen die meisten Deutschen vermutlich nicht besonders viel, am ehesten noch: „Sind die nicht ganz gut im Fußball?“ Dass das zentralafrikanische Land mehrere Jahrzehnte – von 1884 bis 1919 – eine deutsche Kolonie war, ist kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert.
Lange vergessen war etwa Rudolf Duala Manga Bell, einer der Könige des Volks der Duala. Als die Kolonialverwalter 1911 für den Handel wichtiges Land auf dem die Duala lebten, für sich beanspruchen, verweigert er die Zustimmung und verweist auf frühere Verträge. Auch als die Deutschen viel zu geringe Kompensationszahlungen bieten und versuchen, die Duala-Könige – die sie nur abwertend „Häuptlinge“ nennen – gegeneinander auszuspielen, bleibt Bell standhaft. Er lässt die Sache sogar mehrfach vor dem Deutschen Reichstag in Berlin vorbringen. Am 8. August 1914 wird Manga Bell hingerichtet.
Dass solche Biografien wieder ins Bewusstsein geraten, dafür setzt sich die „Initiative Perspektivwechsel“ ein. Der Berliner Verein kümmert sich um antirassistische Bildungsarbeit. Und probiert dies hier in einer besonderen Form – mit Bildergeschichten. „Widerstand“ heißt der kleine Band, in dem drei Episoden kolonialer und postkolonialer Geschichte aus kamerunischer Perspektive erzählt werden, zwei in klassischer Comicform mit Panels und Sprechblasen, eine als illustrierter Fließtext.
Die dritte Geschichte wendet den Blick auf die Gegenwart: André Essama zerstört in Kamerun Statuen, die an europäische Generäle erinnern
Neben Manga Bell geht es dabei etwa um den Kampf der Frauen vom Volk der Kom in den 1950er-Jahren. Denn als die Deutschen gingen, kamen die Franzosen und die Briten, sie blieben bis 1960 beziehungsweise 1961. Die dritte Geschichte wendet schließlich den Blick auf die Gegenwart: Der Aktivist André Blaise Essama zerstört in Kamerun Statuen und Straßenschilder, die an europäische Politiker und Generäle erinnern. Er ersetzt sie durch solche von kamerunischen Widerstandskämpfern, etwa Félix Moumié oder Osendé Afanda.
Die Idee zu „Widerstand“ entstand 2017, als die „Initiative Perspektivwechsel“ eine Methode suchte, Wissen über antikoloniale Geschichte für Schulklassen bis zur Grundschule aufzubereiten – und dafür eine Art Comic-Collage bastelte. Diesen Ansatz wollte man professionalisieren, Fördergelder wurden beantragt, die kamerunischen Zeichner Franky Mindja und Daniel Assako für das Projekt gewonnen. Hilfe und Beratung bekam das ehrenamtlich arbeitende NGO-Team von der Comiczeichnerin Paula Bulling, die unter anderem in „Das Land der Frühaufsteher“ (avant Verlag, 2012) den Umgang mit Geflüchteten in Sachsen-Anhalt dokumentiert hat.
Nach mehr als einem halben Jahr war „Widerstand“ schließlich fertig: in einer Auflage von 500 Exemplaren, kostenlos, eine Spende ist aber erwünscht. Mit genügend Geld wäre eine Übersetzung ins Englische und Französische möglich, damit auch die Schwester-NGO in Kamerun mit dem Comic arbeiten kann.
Die Dialoge sind ausgedacht, die historischen und politischen Fakten aber stimmen
Das erzählerische Prinzip ist bei allen drei Geschichten das gleiche und vergleichbar mit den nachgespielten Szenen in historischen TV-Dokumentationen. Die Dialoge und einige der handelnden Figuren sind ausgedacht, die historischen und politischen Fakten aber stimmen. Das Ergebnis ist zweischneidig: Bei allem guten Willen bleiben die meisten Zeichnungen statisch und Dialoge hölzern. Allen Szenen, Sätzen, Seiten der Storys merkt man zu sehr an, dass sie der Wissensvermittlung dienen.
Comics gibt es bessere. Doch das hier ist eben keine Kunst, es ist politische Bildungsarbeit – und als solche funktioniert „Widerstand“ gut. Ein Fachaufsatz oder eine Textbroschüre zum Thema würde es kaum schaffen, das historische Wissen so spielerisch und leicht zu vermitteln. Und wer neugierig geworden ist, kann mit dem an die Kapitel angehängten Literaturverzeichnis in die Tiefe gehen.
Hier gehts zur Initiative Perspektivwechsel, wo man „Widerstand“ bestellen kann.