Die Bilder aus Ferguson gingen um die Welt. Auf den Straßen Tausende Menschen zwischen Wut und Verzweiflung. Vor allem Afroamerikaner, aber auch viele Weiße demonstrierten. Der Tod des 18-jährigen Michael Brown, der – selbst unbewaffnet – von zwölf Polizeikugeln getötet worden war, ging ihnen allen nahe, unabhängig von ihrer Hautfarbe. Weil er erneut den unterschwelligen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft an die Oberfläche brachte. Mit Schildern wie „Hands up, don’t shoot“ und „Black Lives Matter“ zeigten die Menschen ihren Zorn über die exzessive Polizeibrutalität.
Was bei diesen Protesten oft übersehen wurde, war das Aufgebot der Polizei, das sich den Demonstrierenden entgegenstellte. Nachdem über Ferguson der Ausnahmezustand verhängt worden war, glich die Stadt einem Kriegsgebiet. Wie Stormtrooper patrouillierten Polizisten in Hightech-Ausrüstung durch die Straßen, Panzerfahrzeuge feuerten Tränengas in die Menge. Wer eine Antwort auf die Frage suchte, warum die Polizei immer öfter mit solch martialischen Methoden gegen Zivilisten vorgeht, kann eine auch in diesen Bildern finden: weil sie es kann.
Wie Jungs, die Krieg spielen wollen
Mit den unkommentierten Aufnahmen aus Ferguson beginnt der Dokumentarfilm „Do Not Resist“ von Craig Atkinson. „Hattest du Spaß?“, fragt einer der Polizisten eine Kollegin nach ihrem Einsatz. Ein Lachen als Antwort. „Man darf diesen Jungs nicht solche Spielzeuge geben“, findet eine Anwohnerin. Denn wenn man diesen Jungs Waffen gibt, wollen sie meist Krieg spielen.
Den Bildern aus Ferguson stellt „Do Not Resist“ Aufnahmen aus einem Seminar von Dave Grossman gegenüber. Grossman gilt als einer der erfahrensten Polizisten Amerikas, auch die US-Armee lädt ihn gerne als Gastredner ein. Im höheren Management wäre seine Jobbezeichnung vermutlich Motivationscoach. Als Vertreter der Staatsgewalt erinnert er eher an einen gefährlichen Irren: „Gewalt ist euer Werkzeug“, trichtert er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern ein, „Gewalt ist euer Gegner. Ihr seid umgeben von Gewalt.“
Atkinson thematisiert zwei Phänomene: Polizeigewalt und Militarisierung der Polizei
Diese beiden Sequenzen setzen den Ton von Atkinsons Dokumentarfilm, der eine Verbindung von zwei Phänomenen der vergangenen zehn Jahre herstellt: zum einen der Polizeigewalt, die durch die Allgegenwart von Handykameras öfter als früher auch öffentlich wird, und zum anderen der Militarisierung der Polizeibehörden im Zuge des Anti-Terror-Kampfs.
„Do Not Resist“ zeigt die grotesken Folgen dieser Entwicklung: etwa militärisch aufgerüstete Polizeieinheiten, die ein Wohnhaus stürmen, um Marihuanakrümel zu konfiszieren. Oder Regierungsvertreter, die zum Verkauf teurer Hightech-Panzerfahrzeuge an Kommunen befragt werden, deren Verbrechensraten gegen null tendieren.
„Do not Resist“ könnte auf Mätzchen wie den thrillerartigen Soundtrack gut verzichten
Atkinson hat erstaunliches Material zusammengetragen. Allerdings leidet „Do Not Resist“, vielleicht auch wegen seiner Länge von nur 70 Minuten, stellenweise darunter, dass ihm in den entscheidenden Momenten die Ruhe für eine Analyse fehlt – beziehungsweise die Zeit, die Zusammenhänge seiner Fundstücke und Beweise weiter auszuführen. Formal ist der Film nicht sonderlich interessant, es gibt viele Interview- und Reportagesequenzen. Und wenn Atkinson und sein Team eine Polizeieinheit beim Einsatz begleiten, bedient sich „Do Not Resist“ eines pulsierenden Thriller-Soundtracks, der Bedrohung suggerieren soll. Aber solche Mätzchen hat der Film eigentlich nicht nötig, die Materialsammlung spricht für sich.
„Do Not Resist“ wirkt wie eine schnelle Reaktion auf jüngste Entwicklungen. Kein Dokumentarfilm, der lange Prozesse erklärt, eher Agitprop, die auf aktuelle Missstände aufmerksam zu machen versucht. Wer die Gewalt in den USA etwas besser verstehen möchte und gleichzeitig etwas über die Strukturen, die diese begünstigen, wissen will, kommt um Atkinsons Film nicht herum.