Aktuell bejubelt ganz Hollywood die Romcom „Crazy Rich Asians“. In der erfrischenden Komödie von Regisseur Jon M. Chu treten ausschließlich asiatisch-stämmige Schauspieler*innen auf. Der Hochglanzfilm erobert die Spitze der Kinocharts. Bedenkt man die große asiatische Community in den USA und den großen globalen Markt war der Kassenhit vorhersehbar. Genau wie die Netflix-Serie „To All the Boys I've Loved Before“, deren Hauptdarstellerin Lana Condor vietnamesische Wurzeln hat, oder die Marvel-Verfilmung „Black Panther“, die mit einem fast komplett Schwarzen Cast rund 1,3 Milliarden Dollar einspielte.
„Mohammad so-and-so from such-and-such“
Bloß: In Hollywood kursiert nach wie vor die Vorstellung, dass Produktionen ohne weiße, bestenfalls heterosexuelle Stars an der Kinokasse abschmieren. Zwar setzt hier ein Wandel ein, doch eine Selbstverständlichkeit ist Diversität in der Filmbranche keineswegs. Ein All-Asian-Cast gilt als Wagnis. Das lässt sich auch an der Entscheidung von Warner Bros. ablesen, das „Asian“ im Titel beim deutschen Kinostart lieber wegzulassen, und daran, dass der letzte Hollywood-Film mit rein asiatischer Hauptbesetzung, Wayne Wangs „Töchter des Himmels“, 1993 rauskam. Als Ridley Scott 2014 mit Whitewashing-Vorwürfen konfrontiert war, weil er in „Exodus: Götter und Könige“ weiße Mimen als Ägypter castete, erklärte er in einem Variety-Interview, er könne nicht „Mohammad so-and-so from such-and-such“ besetzen, weil der Film sonst halt nicht finanziert wird.
Aschenbrödel auf asiatisch: Rachel ist zwar eine Professorin aus New York, als sie die superreiche Familie ihres Boyfriends in Singapur kennenlernt, fühlt sie sich gesellschaftlich doch irgendwie ziemlich unterlegen
Eine im Juli veröffentlichte Inequality-Studie bestätigt die signifikante Ungleichbehandlung von Frauen und People of Color. Von den 100 erfolgreichsten Filmen 2017 hatten 33 eine weibliche Hauptrolle. Lediglich vier der Hauptdarstellerinnen entstammten einem „unterrepräsentierten Kulturkreis“, wie es die Studie nennt, nur fünf waren älter als 45 Jahre. In 20 Filmen existierten keine Sprechrollen für Schwarze, in 37 keine für Asiat*innen, in 43 keine für Lateinamerikaner*innen. 19 Filme beinhalteten queere Sprechrollen, wobei keine einzige eine Transperson war. Und nur 2,5 Prozent der Filmcharaktere repräsentierten Menschen mit Behinderung.
Kasse machen – aber wie?
Schon vor dem Erfolg von „Crazy Rich Asians“ bewegte die Debatte um Diversität in die Unterhaltungsindustrie. Die kreiste aber bislang eher um Frauen, Schwarze oder die LGBTI-Gemeinschaft. Zur Oscarverleihung 2017 verwies der Hashtag #OscarsSoWhite darauf, dass Weiße den Filmpreis überproportional dominieren. Bei der diesjährigen Verleihung prangerte Frances McDormand die Chancenungleichheit von Frauen an und verwies auf den „Inclusion Rider“, eine Vertragsklausel, mit der A-Stars mehr Vielfältigkeit vor und hinter der Kamera verlangen können. Im Mai schlug Cate Blanchett als Jury-Präsidentin des Filmfestivals von Cannes in dieselbe Kerbe.
Gänsehaut-Moment bei der letzten Oscar-Verleihung: Frances McDormand macht sich stark für den „inclusion rider", eine Vertragsklausel, die für Vielfalt in den Besetzungen von Filmen sorgen soll
Mittlerweile scheint es, dass weite Teile des Publikums nicht mehr akzeptieren wollen, dass Filme die Vielfalt der Gesellschaft verkürzt abbilden. Die seit Jahren unter immer neuen Vorzeichen geführte Diversitätsdebatte läutet in Hollywood ein langsames Umdenken ein, zumal die Studios in Zeiten von Social Media unter ständiger Kontrolle stehen und Shitstorms fürchten – wie zuletzt etwa um Scarlett Johanson, die im Remake des japanischen Sci-Fi-Klassikers „Ghost in the Shell“ die Hauptrolle spielte.
Natürlich steht gesellschaftliche Verantwortung in der Kinoindustrie kaum im Vordergrund. Was zählt, ist das Einspielergebnis. Filme, in denen mehr Frauen, Queer People, unterrepräsentierte Menschen und Minderheiten vorkommen als üblich, erschließen jedoch neue Absatzmärkte. Und das hat sich auch in Hollywood rumgesprochen. Die Fortsetzung zu „Crazy Rich Asians“ ist bereits angedacht.
Foto: Picture Alliance / Everett Collection