Das erste Wort in „Da 5 Bloods“ hat der Schwarze Boxer und Pazifist Muhammad Ali, der seine Weigerung, gegen die nordvietnamesischen Vietcong in den Krieg zu ziehen, begründet: „Warum sollte ich auf sie schießen? Sie haben mich nie ,N***er‘ genannt, haben mich nie gelyncht, haben nie ihre Hunde auf mich gehetzt. Mich nicht meiner Nationalität beraubt.“ Der neue Film von Spike Lee, seit 12. Juni auf Netflix zu sehen, erinnert an all jene Schwarzen Menschen, die, anders als Ali, dennoch im Vietnamkrieg gedient haben und sich selbst „Bloods“ nannten: Verglichen mit ihrem Anteil an der amerikanischen Gesamtbevölkerung kämpften überproportional viele Schwarze Soldaten im Vietnamkrieg. Sie starben am anderen Ende der Welt für ein Land, das ihnen selbst grundlegende Menschenrechte vorenthielt.
Fünf von ihnen finden in „Da 5 Bloods“ in einer abgestürzten US-Maschine millionenschwere Goldbarren. Die waren eigentlich gedacht, um eine vietnamesische Minderheit gegen die Vietcong zu mobilisieren – also gegen den kommunistischen Gegner des Regimes im Süden, das von den USA unterstützt wurde. Kurz nach dem Fund stirbt Norman, der Anführer und Mentor der Truppe (gespielt von dem aus „Black Panther“ bekannten Chadwick Boseman), in einem Feuergefecht. Die vier übrigen „Bloods“ begraben ihn, vergraben das Gold – und legen einen Schwur ab: Eines Tages wollen sie zurückkehren, Normans Leichnam in die USA bringen und das Gold für „unsere Leute“ („our people“) verwenden, anstatt es auftragsgemäß zur US-Basis zu bringen.
Knuffiges Buddy-Movie
Zur Umsetzung ihrer Pläne kommen die vier allerdings erst Jahrzehnte später, in der Welt von heute. Als Fast-Rentner mit gebrochener Biografie kehren sie nach Saigon zurück. Neben den dokumentarischen Einspielern von Muhammad Ali, Malcolm X oder Angela Davis wirkt der Hauptstrang des Films deshalb zunächst wie ein knuffiges Buddy-Movie: Eine Truppe alter Freunde stolpert tanzend und trinkend durch Saigon. Aber schon zu Beginn ist die Vergangenheit nicht weit, ob in Gestalt eines bettelnden Kindes, das an den Spätfolgen des Entlaubungsmittels Agent Orange leidet, oder der Vietcong-Veteranen am Nachbartisch.
„Da 5 Bloods“ ist seit 12. Juni auf Netflix zu sehen
Und auch in der Schatzsucher-Gruppe selbst läuft es bald weniger harmonisch: Einer der vier, Paul, hat ein gestörtes Verhältnis zu seinem Sohn, der ihm hinterhergereist ist, um seinen schwer kriegstraumatisierten Vater vor einem psychischen Zusammenbruch zu bewahren. Außerdem wird immer deutlicher, dass die vier ein unterschiedliches Verständnis davon haben, was mit „unsere Leute“, an die das Gold ja gehen sollte, denn nun gemeint war: Man selbst? Die eigene Familie? Oder doch die Schwarze Community an sich?
Eine neue, nichtweiße Weltgeschichte
Die Suche nach dem großen Schatz verwebt Lee mit historischen Einspielern der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung und Rückblenden in die Zeit des Krieges, die an klassische Kriegsfilme wie „Apocalypse Now“ oder „Full Metal Jacket“ erinnern. Dass die Hauptdarsteller in diesen Flashbacks äußerlich nicht künstlich verjüngt wurden – wie etwa kürzlich in Martin Scorseses „The Irishman“ –, begründete Lee im Scherz mit knappen finanziellen Mitteln. Es verdeutlicht aber auch die Gegenwärtigkeit der historischen Ereignisse, den nie endenden Krieg im Kopf, die unverarbeiteten Traumata Schwarzer US-Amerikaner. Ihnen gibt Lee in einer gewagten Mischung aus Dokumentation, Actionfilm und Psychodrama eine neue Sichtbarkeit und spannt dabei einen weiten Bogen vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg bis zur heutigen „Black Lives Matter“-Bewegung.
Gerade die Figur des Paul, oscarreif gespielt von Deroy Lindo, die so lange von einer rassistischen, ausbeuterischen Gesellschaft über den Tisch gezogen wurde, dass sie aus Protest und entgegen allen Interessen der eigenen Community plötzlich Trump wählt, bleibt im Gedächtnis.
Schade ist allerdings, dass die Charaktere außerhalb der Freundesgruppe so platt bleiben, dass es wehtut. Besonders die Frauen sind eindimensional gezeichnet, zum Beispiel die mysteriös-diskrete Strippenzieherin Tiên, die als ein einziges Exotismusklischee daherkommt. Auch den anderen vietnamesischen Figuren ergeht es kaum besser. Fast immer wirken sie austauschbar und bleiben damit Statisten – im Film selbst, aber auch in der neuen, nichtweißen Weltgeschichte, die Lee mit „Da 5 Bloods“ doch eigentlich schreiben wollte.
Titelbild: Netflix