Ab sofort nur noch Biogemüse. Die drei Euro extra für den Fairtrade-Kaffee sind Ehrensache. Und die Gemüsebratlinge sehen auch irgendwie schicker auf dem Warenband aus als das halbe Pfund Hack. Dann wandert der ganze Kram in einen alten Stoffbeutel. Fühlt sich besser an. Schließlich schwimmen schon genug Plastiktüten im Meer. Und irgendetwas muss man doch tun. Gegen die Ausbeutung des Planeten und den ganzen Wahnsinn drum herum.

Um den Klimawandel zu stoppen, müssten wir den Ausstoß von Treibhausgasen auf zwei Tonnen pro Nase und Jahr reduzieren. Sagt der Weltklimarat und demotiviert uns in Grund und Boden. Schon geht das gute Gefühl aus dem Supermarkt flöten. Die Umwelt ist nicht zu retten. Also machen wir Urlaub von unserer Verantwortung und drucken im Schummerlicht der Energiesparlampen einen Satz Flugtickets aufs Recyclingpapier.

Ganz oben in der Hitliste der Gründe für die selbst verschuldeten Klimakatastrophe: das Reisen. „Der Flug von Berlin nach New York und zurück verursacht Emissionen von zweieinhalb Tonnen CO2“, sagt Kathrin Dellantonio vom Klimaschutzprojekt myclimate, einer gemeinnützigen Schweizer Stiftung. In etwa die gleiche Menge produzieren wir, wenn wir 16.000 Kilometer Auto fahren. 2,5 Tonnen CO2. Die entstehen, wenn eine Molkereifirma 250 kg Käse herstellt. Oder eine Brauerei 9.200 Liter Bier.

Beim Fliegen schießt die CO2-Bilanz durch die Decke. Diese Erkenntnis ist ein entscheidender Schritt. Auch Fluggesellschaften wollen ihre Emissionen senken, schon aus wirtschaftlichem Interesse, denn Kerosin ist teuer. „Sie bauen leichtere Flugzeuge, erhöhen die Bestuhlung in den Fliegern, versuchen die Routen zu optimieren“, erklärt Dellantonio. Und suchen nach alternativen Treibstoffen aus Ölpflanzen, für die gern mal ein paar Tausend Hektar Regenwald gerodet und Landwirte vertrieben werden. Einige Biodieselprojekte sind schon wieder begraben. Zu wenig Fachwissen, zu viele Fehler, zu wenig Zeit für die Entwicklung.

Bei der Reiseplanung kreist das Gewissen vor allem um die Wahl des Transportmittels. Umweltschutz kostet entweder Zeit oder Geld. Kompensiere ich die Treibhausgase meines Fluges mit einer Ausgleichszahlung? Soll ich lieber in den Bus steigen?

„Auf Kurzstreckenflüge sollten Sie möglichst verzichten“, sagt Johannes Reißland vom „forum anders reisen“, einem Tourismus- verband, der auf ökologisch verantwortungsvolles Reisen ausgelegt ist. „Hierzulande kann man bei solchen Strecken gut auf die Bahn umsteigen. Auch ein Blick auf die neuen Fernbusse lohnt sich.“ Die Busunternehmen erweitern ihr Streckennetz ständig und werfen zurzeit mit Sparpreisen um sich. Ein Fahrgast im Bus verbraucht nur halb so viel CO2 wie einer im Zug.

Doch spätestens an der Küste enden Straßen und Schienen. Weitere Strecken lassen sich nur im Flieger überwinden. Ob ein Flug angemessen ist, könne man an der Aufenthaltsdauer festmachen, rät Johannes Reißland. „Ab 3.800 Kilometer Strecke sollte man mindestens acht Tage an seinem Ziel bleiben. Vielleicht reicht es ja auch, bloß einmal nach Lanzarote zu fliegen und die Insel komplett zu erkunden, anstatt jedes Jahr nur stückweise.“

Wer über den Wolken zu viel über das Schmelzen des Eises an den Polkappen nachgedacht hat, kann sich immer noch frei- kaufen. Stiftungen und Organisationen bieten an, dass man durch Ausgleichszahlungen ökologische Projekte unterstützen kann. Wälder pflanzen, erneuerbare Energien fördern und so weiter.

"Mit den CO2-Rechnern im Netz lassen sich die Emissionen genau ermitteln“, sagt Kathrin Dellantonio. „Durch eine entsprechende Gegenzahlung kann man dann genauso viel CO2 einsparen, wie man im Flugzeug verursacht hat.“ Ein moderner Ablasshandel.

Bei einem Transatlantikflug kostet das Gewissen bereits um die 60 Euro. Klingt nach viel Geld. Im Vergleich zu dem kleinen Vermögen, das ohnehin schon bei der Reisebuchung draufgegangen ist, geht es vielleicht wieder. Und tatsächlich scheint es so etwas wie ein sachtes Umdenken zu geben, sogar in den Köpfen der Schnäppchenurlauber. „In den vergangenen Jahren entdeckten immer mehr Leute eine Art Lebensqualität im Umweltbewusstsein“, sagt Johannes Reißland. „Unsere Kernklientel sind natürlich nach wie vor die Lohas. Aber daneben steigt die Zahl der Kunden, die fairer reisen wollen.“ Loha steht für „lifestyle of health and sustainability“, für einen Lebensstil, der Wert auf Gesundheit und Nachhaltigkeit legt.

Weil die Nachfrage wächst, springen auch die Reiseunternehmen auf den Zug auf und bieten nachhaltigen Tourismus an. Der beschränkt sich längst nicht mehr auf alternative Transportmittel und Fluggesellschaften mit annehmbarer CO2-Effizienz. „Natürlich macht es auch einen Unterschied, ob Sie Ihren Urlaub in einer Hotelkette oder in einer privat geführten Pension buchen“, erklärt Reißland. „Ob Sie sich abends auf das riesige Buffet stürzen, von dem die Hälfte im Müll landet, oder ob Sie lieber selber kochen.“ Oder ob man bei Ausflügen gern wandert und Fahrrad fährt oder lieber mit dem Jeep durch den Nationalpark und mit dem Motorboot übers Korallenriff brettert.

Denn mehr noch als organisierte Umwelthilfe im Tourismus hilft wohl letztlich die persönliche Einstellung: Müssen wir wirklich in die Dominikanische Republik, um am Pool ein Buch zu lesen, oder geht das auch an einem See in Deutschland? Und will das Selfie vor dem regenwaldumrankten Archipel wirklich jemand sehen? Wer sich auch mal solche Fragen stellt, ist schon auf einem guten Trip.