Dieser Text handelt von der schwierigen Suche nach einer Sprache, die allen Geschlechtern gerecht wird. In den folgenden Zeilen werden die meisten der feministischen Entwürfe, wissenschaftlichen Vorschläge und akademischen Regeln für eine -geschlechtergerechte Sprache aber nicht verwendet. Womit wir durch eine stilistische Entscheidung flugs zum Kern des Problems vorgedrungen wären.
Erbittert wird darüber gestritten, was unter einem fairen Sprechen und Schreiben zu verstehen ist. Manchmal gerät ein Text schon unter Sexismusverdacht, wenn er sich an den „lieben Leser“ wendet, nicht aber ausdrücklich auch an die mindestens ebenso „liebe Leserin“. Wer beide Geschlechter meint, sollte sie auch ansprechen und wäre prinzipiell mit einem herzlichen „Liebe Leserin, lieber Leser“ auf der sicheren Seite. Noch griffiger wäre eine geschlechtsneutrale Variante, etwa das substantivierte Partizip Präsens: „Liebe Lesenden“.
In diesem Sinne verschwinden an Universitäten in ganz Deutschland allmählich die Studentenwerke, weil „der Student“ offensichtlich männlichen Geschlechts ist. Es handelt sich um ein generisches Maskulinum, bei dem die männliche Form das andere Geschlecht generös mitmeint. Mit der Verwendung des generischen Femininums („Studentinnenwerk“) ist es natürlich nicht getan. Und deshalb gibt es bundesweit immer mehr Studierendenwerke. So ein Studierendenwerk entspricht dem Gender Mainstreaming, also der Gleichstellung der Geschlechter auf allen gesellschaftlichen Ebenen.
Doch es regt sich Widerstand gegen die „forcierte -Gendersprache“. Linguisten ohne politische Hintergedanken weisen zu Recht auf die Tücken des Partizip Präsens hin. Die Studentin bleibt eine Studentin, auch wenn sie gerade ihre Eltern besucht. Studierende ist sie nur im Hörsaal oder in der Bibliothek, wenn sie sich gerade ihrem Studium widmet. Abends auf der Party ist sie vielleicht eine tanzende Studentin, ganz sicher aber keine tanzende Studierende – es sei denn, sie hat ihre Bücher beim Tanzen dabei.
Seit den 1970er-Jahren geben feministische Sprachwissenschaftlerinnen zu Recht zu Bedenken, dass die Sprache seit Jahrhunderten zugunsten der Männer vorgeprägt ist. Und fordern, dass sich ein modernes Verständnis vom Verhältnis Frau zu Mann auch in der Sprache abbilden sollte. Besonders umstritten aber bleiben Neuschöpfungen, die etwa die Herkunft eines Begriffs ignorieren. Als Beispiel für die patriarchale Abwertung der Frau wird gern das Adjektiv „dämlich“ genannt. Es klingt nur nach „Dame“, tatsächlich leitet es sich vom lateinischen Wort „temulentus“ (betrunken) ab. Auch erscheint es auf den ersten Blick konsequent, „man“ kurzerhand durch „frau“ zu ersetzen – doch das Althochdeutsche meinte damit ohnehin „irgendeinen beliebigen Menschen“. Es klingt nur wie „Mann“.
Wie ein reaktionärer Pedant wiederum klingt, wer unter Hinweis auf linguistische Feinheiten eine Verarmung des Deutschen beklagt. Was spricht gegen den Versuch, den Sprachwandel in eine Richtung zu lenken, an der kein vernünftiger Mensch etwas auszusetzen haben kann? So hat sich das überflüssige „Fräulein“ bereits selbst entsorgt, der „Lehrling“ unmerklich durch den „Auszubildenden“ ersetzen lassen. Geht doch!
Ob wir aber einer gerechteren Gesellschaft durch sprachliche Kosmetik tatsächlich näher kommen, muss sich noch weisen. Fragwürdig bleibt die Prämisse der geschlechtergerechten Sprache, die sogenannte Sapir-Whorf-Hypothese, nach der das Denken eines Menschen durch Grammatik und Wortschatz -beeinflusst wird. Diese Theorie ist weder belegt noch bewiesen. Viele Sprachforscher halten das Sprechen für ebenso wirkmächtig wie das Handeln. Sie reden von „Sprachhandlungen“, mit denen sich bestimmte Situationen angeblich in erwünschter Weise verändern lassen. Allerdings sind sogar abwertende Begriffe wie „Neger“ oder „Zigeuner“* längst allgemein geächtet – rassistische Abwertung gibt es aber immer noch. Ein Problem, das aus der Sprache entfernt wurde, bleibt womöglich ein Problem.
Mit der sprachlichen Gleichberechtigung von Mann und Frau ist es eh nicht getan, wenn es daneben noch viele andere Geschlechtsidentitäten gibt. Das Binnen-I etwa in „LeserIn“, einst als Errungenschaft gefeiert, wird heute wegen seiner Annahme der Zweigeschlechtlichkeit oft abgelehnt. Wer alle nur denkbaren Geschlechteridentitäten in seine Ansprache einbeziehen möchte, kann den als „Gender Gap“ bezeichneten Unterstrich verwenden und die „Leser_innen“ ansprechen, je nach Lehrmeinung auch die „Le_serin“ oder die „Leser*n“. Eine Professorin in Berlin will gängige Geschlechtsvorstellungen durchkreuzen und firmiert bereits unter „Professx“.
So ein spielerisches Sprachregime lässt sich an der Akademie errichten, doch schon Unternehmen halten sich spürbar zurück. Und es ist mehr als fraglich, ob es radikale Vorschläge wie „Professx“ jemals in den allgemeinen Sprachgebrauch schaffen.
Wer es aber befürwortet, muss kein „Gender-Irrer“ sein. Wer sich dagegen sträubt, ist nicht zwangsläufig ein Sexist. Vielleicht ist die Schärfe der Auseinandersetzung aber auch ein gutes Zeichen. Denn das offene Geschlechterverhältnis unserer Tage ist nicht nur historisch beispiellos. Es ist auch sprachlos. Damit das nicht so bleibt, gilt vor allem eins: Wir müssen reden.