Caroline Boßmann, 15, Nachwuchs-Schiedsrichterin beim FV Knittlingen, Bretten


Es fing an mit einer Wette. Ich habe früher immer in Jungsmannschaften gespielt. Ein Teamkollege sagte damals: Die Schiedsrichterprüfung schaffst du nie. Jetzt pfeife ich seit anderthalb Jahren, Mädchen wie Jungs. Die Mädels sind unkomplizierter. Die Jungs fangen bei jeder Entscheidung an zu debattieren. Übel beschimpft wurde ich übrigens von den Nachwuchsspielern von Chelsea London. Da fielen heftige Ausdrücke – zum Glück auf Englisch, da habe ich nicht alles verstanden. Ob ich lieber spiele oder pfeife? Das hängt von der Tagesform ab. Sicher ist: Für mich ist Fußball der absolute Ausgleich zum Alltagsstress. Ich glaube nicht, dass ich bei einer anderen Sportart, Handball zum Beispiel, so ein Zufriedenheitsgefühl entwickeln könnte. Als meine Familie im vergangenen Sommer umziehen musste, habe ich – noch bevor wir eine neue Wohnung gefunden hatten – sofort nach Vereinen in der Umgebung gesucht. Wenn ich mal zwei, drei Wochen nicht auf dem Platz stehe, werde ich total zickig.
 

David Mamunz, 18, Schüler, Nürnberg


Fußball bedeutet mir alles. Mehr als die Schule, mehr als meine Freundin. Ich trainiere jeden Tag dafür, dass mein großer Traum in Erfüllung geht: eine Karriere als Profifußballer. Dann könnte ich mit Fußball Geld verdienen wie andere im Büro und ich könnte ganz sicher in Deutschland bleiben. Ich kam ungefähr mit 14 Jahren hierher, meine Eltern wurden im Krieg zwischen Armenien und Aserbeidschan erschlagen. Ich wurde am 29. Dezember 1990 auf der Straße gefunden und auf drei Jahre geschätzt, das ist also jetzt mein offizielles Geburtsdatum. Wie alt ich wirklich bin, weiß ich nicht. 

Aber ich weiß: Andere in etwa meinem Alter spielen schon in der Bundesliga! Ich will später nicht sagen müssen, dass ich mich mehr hätte anstrengen können. Deswegen trainiere ich am Wochenende und in den Ferien sogar zweimal, ich merke ja, dass ich immer noch viel lernen muss. Mein Trainer muss mich manchmal bremsen, wenn ich es übertreibe mit dem Training. Es muss ja gar nicht der FC Bayern sein, die Zweite Bundesliga wäre auch toll.
 

Jörg Laufenberg, 31, Präsident der Vereinigung der Groundhopper Deutschlands (V.d.G.D.), Aachen


Groundhopper sammeln Stadionbesuche. Wohin geht’s als Nächstes?

Eigentlich wollte ich demnächst mein letztes österreichisches Stadion feiern, das von Rapid Wien. Jetzt ist das Lokalderby doch im Ernst-Happel-Stadion. Ich fahre trotzdem. Normalerweise geht kein Groundhopper freiwillig zweimal in das gleiche Stadion. Es gibt aber unterschiedliche Typen, man muss nicht Mitglied bei uns sein: Die einen wollen nur Stadien und Länderpunkte sammeln, bei den anderen steht der Heimatverein im Mittelpunkt – so wie bei mir Alemannia Aachen.

Was sind Länderpunkte?

Es gibt ein Buch, in dem alle Stadien der Welt verzeichnet sind. Jeder Groundhopper führt seine eigene Statistik und hakt ab, wo er schon war. Aber eine Rangliste gibt es nicht. Ich habe etwa 1500 Stadien in 41 Ländern gesehen, ich hebe jede Eintrittskarte auf. In Europa fehlen mir fast nur noch kleine Staaten wie etwa Andorra, Mazedonien und die Färöer.

Wie organisieren Sie das alles?

Wir bilden Fahrgemeinschaften, ich verzichte auf Luxus wie teure Klamotten: Das ist es mir wert – ich mag die Atmosphäre im Stadion, die ist in jedem Land anders und diese Fankultur erlebt man so intensiv nur als Groundhopper. Am schönsten ist das Stadionerlebnis in England: Dort haben die Fans das beste Gespür dafür, wann die Mannschaft Unterstützung braucht.
 

Okka Gundel, 31, WDR-Sportberichterstatterin, Köln


Ich liebe Flutlichtspiele, da ist es immer so melancholisch! Mein Alltag als Sportmoderatorin ist eher sachlich. Wenn Rot-Weiß Essen spielt, gehe ich zur Presse-konferenz – da sitzen Journalisten, Trainer, Spieler. Wenn mich einer nicht kennt, denkt der: Die ist blond und ‘ne Frau – forget it. Als Frau muss ich in dieser Branche doppelt so gut sein wie ein Mann. Den kleinsten Fehler bekomme ich dreimal um die Ohren gehauen. Aber rüde Sprüche klopfen kann ich auch. Ich habe schließlich schon als Kind mit meinem großen Bruder gekickt. Als der noch beim VfB Lübeck war, habe ich mal ein Spiel für den NDR-Hörfunk kommentiert. Er ist nicht gut weggekommen. Mein erster Stadionbericht fürs Radio war über das Spiel Lüneburger SK gegen Göttingen 05 am 29.8.99. Beim Fernsehen bin ich seit 2003, ich moderiere die WDR-Regionalligasendung Sport im Westen. Ich habe Sport studiert und auch schon den Tennis World Team Cup kommentiert – aber Sportberichterstattung ist ja fast nur über Fußball. Mir macht das Spaß, ich bin ja mit diesem Sport aufgewachsen. Und ich habe einen Fußballer geheiratet. Eigentlich bin ich also auch Spielerfrau.
 

Stefan Mohme, 39, Organisator der Freizeitliga Royal Bavarian Liga, München


Wenn ich sehe, wie der Spielbetrieb für mehr als 140 Mannschaften fast reibungslos funktioniert und so viele Freizeitkicker ihre Begeisterung in unserer Liga mit Abstieg, Aufstieg, Champions Liga, Pokal und Hallenturnieren ausleben können, beantworte ich gern zehn Mails und sechs Anrufe am Tag. Wie aus einer winzigen Punkterunde mit acht Mannschaften etwas so Großes werden konnte! Als ich die Ligaleitung vor elf Jahren übernahm, stand Fußball in meinem Leben klar an erster Stelle. Allein für das Infoblatt habe ich alle zwei bis drei Wochen acht Stunden lang die aktuellen Tabellen und Ergebnisse für die damals sechzig Mannschaften abgetippt, kopiert, zur Post gebracht. Heute, mit Internet, kostet mich die Liga immer noch eine Stunde am Tag, anstrengend ist aber nur der Abschlussbericht, dafür muss ich vier Tage frei nehmen. In den Vorstand wollte ich nur, weil ich dachte: Dann traut sich keiner mehr, dich umzuhauen.
 

Simon Müller, 23, Ultra in der Schickeria, München


Irgendwie habe ich Fußball immer im Kopf. Dabei geht es gar nicht mehr so um den Sport an sich, sondern eher um die Lebenswelt, die mir der Fußball erschlossen hat. Eine Welt, die ich mit meinem Engagement mitgestalten kann, als Capo der Schickeria. Drei bis vier Stunden am Tag beschäftige ich mich intensiv mit Fußball, wenn ich Spruchbänder oder Fahnen bemale, Artikel für das Südkurvenbladdl, unseren Internetauftritt oder Forumsbeiträge schreibe, mir neue Liedtexte ausdenke oder mit anderen Ultras zusammensitze. Am Anfang war ich einfach gern ab und zu im Stadion, diese Saison habe ich noch kein Pflichtspiel der Bayern verpasst, egal ob auswärts oder in der Allianz Arena, ob DFB-Pokal oder Champions League. Man wächst da in eine Gemeinschaft hinein und das ist es, was mich fasziniert. Mittlerweile stammen fast alle meine Freunde aus dem Ultra-Umfeld, sogar meine Freundin. Allerdings wird ihr meine Begeisterung trotzdem manchmal zu viel. Aber so ist das eben: Ultra.
 

Jürgen Apfel, 46, ehrenamtlicher KSC-Jugendtrainer, Kandel


Wie sieht Ihr Wochenende aus?

Da spielen meine "Fußballkinder": Meine U13-Mannschaft und mein 13-jähriger Sohn spielen zum Glück zeitlich oft hintereinander, so kann ich bei beiden dabei sein. Als mein Sohn letztes Jahr in meiner Mannschaft war, haben wir unter der Woche gemeinsam trainiert: dreimal nachmittags, anderthalb Stunden. Das geht, weil ich von zu Hause arbeite.

Spielen Sie auch selbst?

Ab und zu bei den Senioren. Aber eigentlich spiele ich schon mein ganzes Leben: Ich bin 1960 geboren, das war noch die Zeit des Straßenfußballs. Ich wollte den Großen nacheifern: Seeler, Beckenbauer. Das Kicken war mein Ventil. In den Verein bin ich erst mit 15 eingetreten, mit 18 wurde ich Jugendtrainer. Die Trainerausbildung habe ich später nachgeholt.

Und warum ausgerechnet Jugendfußball?

Mit Kindern zu arbeiten macht mir Spaß. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, Talente zu fördern. Ich möchte den Kindern etwas mitgeben: soziales Miteinander, Teamgeist – das wird heute kaum geübt. Aber es ist zentral für den Mannschaftssport, das lernt ein Einzelkämpfer nicht.
 

Gerhard Stoll, 37, blinder Fan von Bayer 04 Leverkusen, Köln


Wenn ich im Stadion bin, läuft bei mir ein innerer Film ab. Sicher, es ist ein Film der siebziger und achtziger Jahre. Ein Film aus der Zeit also, als ich noch gesehen habe, vor dem Unfall mit 13 Jahren. Im Stadion sind wir Blinden stark auf Emotionen angewiesen, auf die Ohs und Ahs der Fans, auf die Gesänge, die Stimmung. Schon wenn ich von meiner Wohnung zum Stadion fahre, steigt das Adrenalin. Seit 1999 gehe ich regelmäßig zu Bayer 04 Leverkusen. Hier reportieren Jugendtrainer für blinde Fans das Spiel über Kopfhörer. Wenn ein Spieler aufs Tor zurennt und alle brüllen oder pfeifen, dann hören wir das ja. Den Rest berichten uns unsere Reporter. Mit Radiohören ist das nicht zu vergleichen, da ist man nun mal nicht mittendrin. Fußball bedeutet für mich, Teil einer riesengroßen Gemeinschaft zu sein. Deshalb bin ich auch gern bei Auswärtsspielen dabei, selbst wenn es dort den Blindenservice nicht immer gibt. Manchmal muss ich einfach in die Kurve. Fußball ist für mich mein Ventil, im Stadion kann ich so richtig aus mir rausgehen: Beim Spiel Leverkusen gegen Manchester United bin ich vor Freude mal so hoch gesprungen, dass mir der Kopfhörer um die Ohren geflogen ist.

Fotos: Frederick Busch, Paul Kranzler, Alfred Jansen, Olaf Unverzart, Dorothee van Bömmel