Groß etwas dabei gedacht hat sich Charleen nicht, als sie sich eines Tages mit einem Föhn in die Badewanne stellt. Die 16-Jährige ist eher genervt als lebensmüde. Von den Leuten in ihrer Klasse, die sie blöd findet, von der alleinerziehenden Mutter Sabine, die mit Charleen und ihrem jüngeren Bruder völlig überfordert ist, von deren langweiligem Freund Volker, der auch noch ihr Lehrer ist, und von ihrer besten Freundin Isa, die sich nur noch für Jungs und Mode interessiert. Eher aus einer Laune heraus hat Charleen eines Tages genug. So beginnt Mark Monheims Langfilmdebüt „About a Girl“.
Dummerweise klingelt das Handy genau in dem Moment, als Charleen (Jasna Fritzi Bauer) den Föhn in die Badewanne fallen lassen will. Mit einem Verband am Kopf wacht sie im Krankenhaus auf und muss nun ihrer aufgelösten Mutter (Heike Makatsch) erklären, warum sie sich das Leben nehmen wollte. Eine gute Antwort hat sie nicht parat, außer vielleicht, dass sich alle ihre Lieblingsmusiker umgebracht haben („About a Girl“ ist der Titel eines Songs von Nirvana).
Verstehen kann sie die ganze Aufregung nicht, und dann fordern die Ärzte auch noch, dass sie sich in therapeutische Behandlung begibt. Außerdem steht das Jugendamt vor der Tür, um Sabine die Erziehungsberechtigung wegzunehmen. Noch mehr Gründe für Charleen, sich über das Unverständnis der Erwachsenen aufzuregen. Ihre einzige Vertrauensperson ist ihre Oma, die es irgendwie geschafft hat, alt zu werden, ohne ihre gute Laune zu verlieren.
Ähnlich inspiriert von Kurt Cobain scheint der 16-jährige Mike in Florian Cossens „Coconut Hero“ zu sein. Wie der Nirvana-Frontmann versucht er, sich mit einem Gewehr zu erschießen. Dabei führt auch Mike (Alex Ozerov) eigentlich das Leben eines normalen Teenagers: Seine Mutter Cynthia (Krista Bridges) nörgelt ständig an ihm herum, sein Leben in der kanadischen Provinzstadt Faintville ist stinklangweilig, und seine Mitschüler verarschen ihn, weil er mit vollem Namen Mike Tyson heißt – wie der Boxer, der einst Evander Holyfield im Ring ein Stück vom rechten Ohr abbiss.
Das Gewehr ist nur mit Platzpatronen gefüllt. Dennoch erweist sich Mikes Selbstmordversuch als eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung: Die Menschen in Faintville glauben ohnehin, dass er tot sei, weil Mike vorsorglich eine Todesanzeige in der Zeitung aufgegeben hat. Nach einer Routineuntersuchung teilt ihm der behandelnde Arzt dann mit, dass in Mikes Kopf ein walnussgroßer Gehirntumor entdeckt wurde.
Mike ist begeistert, erspart der Tumor ihm doch den lästigen Suizid. Gleich macht er sich an die Vorbereitung für seinen angekündigten Tod: Beim Bestatter bringt er erst mal das Angebot an preiswerten Särgen in Erfahrung. Seine Mutter ahnt derweil nichts von dem tödlichen Befund. Komplikationen gibt es erst, als Vater Frank (Sebastian Schipper, der Regisseur von „Victoria“) nach 15 Jahren wieder vor der Haustür steht, weil er von Mikes vermeintlichem Selbstmord erfahren hat.
„About a Girl“ (Kinostart: 6. August) und „Coconut Hero“ (läuft eine Woche danach an) wählen einen ungewöhnlichen Weg, um die Selbstmordabsichten ihrer jugendlichen Protagonisten zu thematisieren: Statt in Depression verfallen Charleen und Mike in Sarkasmus. Die hilflosen Versuche der Eltern, mit der Tat ihrer Kinder umzugehen, kommentieren sie mit schwarzem Humor. So kippt die Tragik immer wieder in komische Momente, etwa wenn sich Charleen, gelangweilt von den Fragen ihres Psychotherapeuten, vorstellt, wie dieser von der herabstürzenden Zimmerdecke erschlagen wird. Doch wie in jeder Komödie steckt auch in diesen beiden Filmen ein ernsthafter Kern: Der Selbstmord ist nicht mehr als eine Metapher für die Schwierigkeiten, sich mit den Unwägbarkeiten des Lebens zu arrangieren. Als Teenager hat man’s eben nicht leicht.
Das Thema Suizid nehmen die Filme dabei keineswegs auf die leichte Schulter. Sie versuchen vielmehr, in beiläufigen, manchmal auch komisch-zugespitzten Alltagssituationen zu ergründen, wie kompliziert und widersprüchlich die Gefühle eines Teenagers sein können. Zum Beispiel, wenn diese sich um Jungs (beziehungsweise Mädchen) drehen. Charleen findet in dem Klassenstreber Linus, den sie zufällig im Wartezimmer des Therapeuten trifft, einen unerwarteten Verbündeten, auch wenn sie das anfangs nicht zugeben will. Mike schöpft durch die Begegnung mit Miranda neuen Lebensmut.
Ihre Widerstände gegen die Zwänge und Normen der Erwachsenenwelt verleihen „About a Girl“ und „Coconut Hero“ leicht anarchische Züge. Die Ausbruchsversuche sind für Charleen und Mike eine Art Selbsttherapie, ihr morbider Humor fungiert als emotionaler Schutzschild. „Coconut Hero“ gelingt es dabei besser als „About a Girl“, Sentimentalitäten zu vermeiden. Mikes Gespräche mit seinem verständnislosen Vater sind unergiebig, die Erwachsenen taugen nicht als Vorbild. Darum nimmt er die Entscheidungen für sein Leben lieber selbst in die Hand.