Den Unterschied zwischen meinen Mitschülern und mir sieht man erst auf den zweiten Blick. Im Gegensatz zu mir haben sie ein iPhone oder benutzen im Unterricht ihr iPad. Bei uns an der Schule rennen schon 14-Jährige mit Gucci-Taschen herum. Viele fahren mit ihrem Roller oder sogar einem eigenen Auto zur Schule. Ich selbst bin anderthalb Stunden mit dem Zug unterwegs. Meine Mutter, meine Schwester und ich wohnen in einem Vorort von Frankfurt, weil dort die Mieten billiger sind.

Meine Schule liegt in einer wohlhabenden Gegend, dem Westend in Frankfurt. Dort mache ich nächstes Jahr mein Abitur. Mein Glück ist, dass ich nicht die Einzige bin, deren Familie wenig Geld hat. Es gehen auch Kinder aus dem weniger betuchten Gallus-Viertel auf mein Gymnasium. Deshalb sind die Unterschiede zwischen Arm und Reicht nicht so besonders. An der vorherigen Schule in meinem Dorf war das anders. Da habe ich mir immer Sprüche über „Hartz-IV-Schmarotzer“ anhören müssen. Armut bedeutet für mich, dass wir uns über alle Anschaffungen Gedanken machen müssen. Und nie Geld da ist, wenn es für mich drauf ankommt: für Austauschfahrten, Studienreisen oder bestimmte Ausflüge zum Beispiel. Meine Mitschüler können Angebote in Japan, Rom oder den USA annehmen. Ich habe Freunde, die bereits viermal in Marokko waren. Das wird mir nicht passieren. Ich kann nur an obligatorischen Klassenfahrten teilnehmen, weil die vom Amt übernommen werden. Ich muss dann jedes Mal einen sogenannten Beihilfeantrag ausfüllen und ihn vom Lehrer unterschreiben lassen. Das ist unangenehm, weil es die anderen oft mitkriegen.

Später möchte ich gern anderen Menschen helfen

Manchmal vergleiche ich mich schon mit meinen Freunden, die mehr Geld haben, und bin dann traurig, weil mir so viel entgeht – eigene Bücher, Theaterbesuche, Filme auf DVD. Aber meiner Mutter kann ich keinen Vorwurf machen. Sie ist mit Ende Zwanzig als politischer Flüchtling aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Weil ihre Zeugnisse hier nicht anerkannt wurden, hat sie ihr Abitur noch einmal gemacht und Soziologie studiert. Meine Eltern haben sich während des Studiums kennengelernt und wieder getrennt, als ich drei Jahre alt war. Mein Vater zog in die USA, und von da an war meine Mutter alleinerziehend. Bei ihrer Arbeit mit Flüchtlingsfrauen hat sie wenig Geld verdient, deshalb wurden ihre Einkünfte mit Sozialhilfe aufgestockt. Vor zwei Jahren hat sie eine Ausbildung zur Erzieherin begonnen und arbeitet nun in Teilzeit an einer Schule.

Ich finde: Sie hat ein ökonomisches Gespür und kennt die Stellen, wo wir Unterstützung bekommen. Die Kosten für unsere Monatstickets übernimmt zum Beispiel eine Stiftung, die sich für alleinerziehende Mütter einsetzt. Insgesamt hat sie so um die 1.100 Euro im Monat für uns drei. Taschengeld ist für uns nicht drin. Ich möchte mir jetzt gerne einen Nebenjob suchen. Am liebsten einen, der etwas mit Sprachen zu tun hat, denn ich spreche Persisch, Französisch, Englisch, Japanisch, Spanisch und ein bisschen Chinesisch. Sprachen fallen mir leicht. Mein Zukunftswunsch: Nach dem Abitur will ich Medizin studieren und später bei „Ärzte ohne Grenzen“ im Ausland arbeiten. Ich möchte anderen Menschen helfen und Dinge tun, die mich glücklich machen.

Dokumentiert von Hadija Haruna

* Die Erzählerin hat ihren Namen selbst gewählt. Athena steht für Weisheit und Rolland für den Namen ihres Lieblingsautors Romain Rolland.