Felix Kramer ist kein Freund verchromter Felgen. Er würde sein Auto niemals tiefer legen oder Sportsitze einbauen. Mit den Jungs von MTVs Pimp My Ride könnte sich der ehemalige Dotcom-Unternehmer dennoch problemlos messen. Der Kalifornier tüftelt an der Zukunft des Automobils. Einige Tausend Dollar hat er bereits dafür ausgegeben, den Benzinverbrauch seines Autos auf zwei Liter pro 100 gefahrene Kilometer zu senken. „Manche Leute investieren 2000 Dollar in Ledersitze“, erklärt er, es klingt fast entschuldigend.
Im Zentrum seiner Bemühungen steht der Prius, ein windschnittiger Wagen, den Toyota in den USA 2003 auf den Markt brachte. Schon ein handelsübliches Modell diesen Typs verbraucht auf 100 Kilometer nur etwa vier Liter Benzin. In den USA, in denen Irakkrieg, Klimawandel und steigende Benzinpreise immer mehr thematisiert werden, ist das Auto zu einer Art alternativem Statussymbol aufgestiegen. Brad Pitt hat einen, Cameron Diaz ebenfalls und George Clooney fuhr mit einem Prius letztes Jahr zur Oscar-Preisverleihung.
Grund für die Sparsamkeit des Prius ist sein so genannter Hybridantrieb, der einen Benzin- mit einem Elektromotor kombiniert. Beim An- und Rückwärtsfahren sowie bei niedrigen Geschwindigkeiten wird das Auto durch den Elektromotor angetrieben und verbraucht damit keinen Treibstoff, erst bei höheren Geschwindigkeiten kommt Benzin dazu. Der konventionelle Motor lädt dabei auch gleich die internen Batterien auf. „Sie müssen den Wagen niemals per Steckdose aufladen“, verspricht Toyota in der Werbung. „Welche Wünsche bleiben da noch offen?“ Für Felix Kramer zumindest einer: Er wollte einen Stecker. 2003 gründete er daher den kalifornischen Verein Calcars, um Autohersteller von der Idee eines Hybridautos mit Steckdosenanschluss zu überzeugen. Solche Fahrzeuge könnten viel sauberer sein als die im Handel erhältlichen Hybridmodelle, meint er. „Man hätte damit alle Vorteile eines Elektroautos mit der Reichweite eines Benziners.“ Doch Toyota und Co. zeigten sich lange uninteressiert. „Sie haben es einfach nicht verstanden“, glaubt Kramer. Ihm blieb deshalb nicht anderes übrig, als selbst zum Schraubenschlüssel zu greifen. Im Herbst 2004 begann er gemeinsam mit anderen Calcars-Mitgliedern,einen Prius zum Steckdosenwagen umzurüsten. In zahlreichen Bastelwochenenden bauten sie dort, wo der Ersatzreifen war, 18 zusätzliche Batterien ein. Für einen zweiten Prototyp holten sie sich professionelle Hilfe von Firmen, die sich auf das Umrüsten von Elektroautos spezialisiert haben.Am Ende hatten sie dann ein Auto, das im Stadtverkehr ganz ohne Benzin auskommt und auf längeren Strecken gerade mal zwei Liter pro 100 Kilometer verbraucht.
Bisher existieren weltweit nur eine Hand voll derart umgerüsteter Hybridautos. Ein Grund dafür ist der Preis: Zusätzliche Batterien, spezielle Elektronik und eine professionelle Installation können bis zu 12000 Dollar kosten. Bei Calcars geht man jedoch davon aus, dass Autohersteller diese Kosten auf 2000 bis 3000 Dollar reduzieren könnten. „Die Technik existiert“, sagt Felix Kramer. Doch bis sie den Massenmarkt erreicht,muss er noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Kramer hat seinen umgerüsteten Prius deshalb in eine Art fahrende Litfaßsäule verwandelt. Mit großen Buchstaben an beiden Türen wird erklärt, wie wenig Benzin der Wagen verbraucht, das Nummernschild verkündet: „Plug OK“ - „Einstöpseln erlaubt“.
Aufmerksamkeit ist ihm damit überall gewiss.Besonders wild geht es zu, wenn Kramer seinen Prius zum Ölwechsel in die Werkstatt bringt. „Beim Toyota-Händler versammeln sich jedes Mal alle um mein Auto“, berichtet er belustigt. „Die Leute finden es toll. Sie finden es unglaublich faszinierend.“ Toyotas offizielle Reaktionen waren anfangs nicht ganz so positiv. Der Konzern bemerkte säuerlich, man könne keine Garantie auf derart umgebaute Wagen geben. Und man glaube auch nicht, hieß es, dass Verbraucher für so etwas mehr Geld ausgeben würden. Doch der Autohersteller brachte auch Argumente vor, die Umweltschützer nachdenklich werden ließen. Wer sein Auto mit Kohlestrom statt Benzin voll tanke, der tausche damit lediglich einen Verschmutzer gegen einen anderen aus, so die Kritik. Eine echte Lösung der Umweltprobleme könne es nur mit Wasserstoffantrieb und ähnlichen Zukunftstechnologien geben. Felix Kramer beeindrucken derartige Argumente nicht. „In den Neunzigern mochten Leute die Idee, dass mit Wasserstoffantrieben nur Wasser aus dem Auspuff kommt“, glaubt er. „Doch wenn man den kompletten Energieaufwand von der Quelle bis zum Auspuff nachrechnet, dann sieht die Bilanz von Wasserstoff nicht mehr so gut aus.“ In Sachen CO2 sei Strom bereits heute unschlagbar. „Ein Elektroauto produziert mit dem derzeitigen Stromnetz in den USA 45 Prozent weniger CO2 als ein herkömmlicher Wagen“,erklärt Kramer. „Und das kann nur besser werden, da unsere Stromversorgung insgesamt sauberer wird.“
Inzwischen scheint diese Botschaft anzukommen. Zahlreiche Journalisten,Wissenschaftler und Politiker haben sich bereits mit Kramer getroffen, um den Prius zu sehen. Selbst Präsident Bush bekundetet inzwischen Interesse an der Technologie. Und angesichts des wachsenden öffentlichen Drucks gibt es auch von Toyota neue Töne. „Ein interessantes Konzept“ sei das, findet Konzernsprecherin Cindy Knight. Bisher gebe es noch technische Probleme mit den Batterien. „Doch das sollte sich innerhalb der nächsten drei Jahre lösen lassen“, meint sie zuversichtlich. Lobende Worte hat Toyota neuerdings auch für Menschen wie Felix Kramer, die ihren Prius auf eigene Faust umrüsten. „Wir verstehen das als Ausdruck des amerikanischen Erfindungsreichtums“, erklärt Knight. „Das individuelle Umbauen von Autos hat hier zu Lande Tradition.“ Aus rechtlichen Gründen könne ihre Firma Verbraucher nicht zu derartigen Dingen ermuntern. Doch einige der Toyota-Ingenieure würden sich intensiv mit den Hobbybastlern austauschen. „Sie sind sehr gewitzt und sehr engagiert“, sagt Knight. Autohersteller, die sich von Bastlern in Sachen Umweltschutz inspirieren lassen: Das ist neu. Bisher kamen derartige Impulse stets vom Gesetzgeber. So besitzt Kalifornien die strengsten Abgasnormen der Welt. Diesel-Pkws dürfen in dem Bundesstaat überhaupt nicht mehr verkauft werden. Autohersteller wurden zudem zu einer Quote für grüne Autos verpflichtet. Vier Prozent aller neu verkauften Fahrzeuge dürfen fast keine Schadstoffe mehr verursachen. Diese Bestimmungen sind ein wesentlicher Grund dafür, dass mittlerweile zahlreiche Autokonzerne Prius-ähnliche Hybridwagen in den USA auf den Markt bringen. Jetzt scheinen Verbraucher und Bastler den Gesetzgeber zu überholen. So bekommt Toyota vermehrt E-Mails und Anrufe von Konsumenten, die gezielt nach umweltfreundlicheren Technologien fragen, berichtet Cindy Knight. „Sie sagen uns,was sie kaufen wollen und was wir produzieren sollen.“ Glaubt man Felix Kramer, dann hat die Branche diese Nachhilfe auch dringend nötig. „Die meisten Autohersteller fällen schlechte Entscheidungen“, meint er. „Deshalb geht es ihnen auch so miserabel.“ Cindy Knight indes verspricht Besserung: „Wir freuen uns über jedes Feedback.“