In den letzten Jahrhunderten wurden Könige, Kaiser und Fürsten in Europa von ihren Thronen verjagt, und unsere Demokratien wurden geboren. Zuvor hatten jahrhundertelang viele Menschen nur wegen ihrer Abstammung Macht. In einigen europäischen Ländern gibt es trotzdem noch heute Königshäuser, und keinen stört es so richtig. Das Vereinige Königreich Großbritannien ist eine konstitutionelle Monarchie. Die fast 90-jährige Queen Elisabeth II. ist Staatsoberhaupt, hat aber eigentlich nichts zu sagen. Der Journalist Rolf Seelmann-Eggebert berichtet seit mehr als 30 Jahren über Königshäuser und vor allem über die britische Monarchie. Vielleicht kann er uns erklären, was das alles soll.

fluter.de: Was finden die Briten denn eigentlich an der Monarchie? 

Rolf Seelmann-Eggebert: Sie steht für Beständigkeit. Die Briten sind daran gewöhnt, dass es eine Queen gibt, die seit 1952 Königin ist und es aller Voraussicht nach auch noch eine Weile sein wird. Viele können es sich nicht anders vorstellen, als dass diese Frau ihre Münzen und Briefmarken schmückt. Wenn es eine so genannte "erste Familie" mit jahrhundertealter Tradition gibt, ist das etwas anderes, als wenn man einen Bundespräsidenten hat. Der kann maximal einmal wiedergewählt werden.

Erfüllt die Queen eine ähnliche Funktion wie der deutsche Bundespräsident? Beide haben theoretisch ein hohes Amt inne und sollen ihr Land repräsentieren, praktische Macht haben sie aber kaum.

Teilweise. Der große Unterschied ist aber, dass der Bundespräsident eine Meinung haben und sie auch äußern darf. Wenn er einen Fehler macht, kann das Konsequenzen haben. Die Königin soll sich politisch zurückhalten.

Wie schafft sie das?

Wenn sie eine Rede hält, hat die meistens jemand anderer geschrieben. Bei der Eröffnung eines neu gewählten Parlaments liest sie beispielsweise die Erklärung der Regierung vor. Wenn es nach einer Rede Ärger gibt, wird gefragt: Wer hat das Manuskript geschrieben? Ah, das war der böse Finanzminister oder der böse Premierminister. "She can't do wrong" sagt man über die Queen. Mit anderen Worten: sie kann nichts falsch machen. Allerdings lieben die Briten ihre Königin auch, weil sie wissen: Wenn die Regierung ein völlig absurdes Gesetz beschließen würde, könnte die Queen als letzte Notbremse ihre Unterschrift unter dem Gesetz verweigern. Das Recht hat sie. Mir ist aber kein Fall bekannt, in dem sie das gemacht hat.

Wie ist eigentlich die Wahrnehmung der königlichen Familie in der Bevölkerung: Gilt sie als verstaubt, als glamourös oder doch auch als cool?

Eigentlich ist die Monarchie vielen ziemlich egal, nicht nur den jüngeren Briten. Bei den meisten ist das Königshaus kein großes Thema. Es gibt aber Schwankungen. Das Interesse steigt, wenn ein großes Fest ansteht, wie die Hochzeit von William und Kate vor drei Jahren. Da waren plötzlich wieder viele Briten von der Monarchie begeistert.

Ist es nicht auch eine Ersatz-Seifenoper? Man verfolgt die Familienschicksale anderer Leute, freut sich und leidet mit ihnen...

Es gibt in Deutschland das Sprichwort: "Das kommt in den besten Familien vor". Das lässt sich gut auf die Monarchie anwenden. Charles, Andrew und Anne, insgesamt drei von vier Kinder der Queen, haben sich scheiden lassen. Das ist ein Element, an dem man sich festhalten kann, wenn es einem selbst passiert. Man kann sich dann beruhigt sagen: Selbst im britischen Königshaus gehen Ehen auseinander.

Wie unterscheidet sich der Blick der jungen und der älteren Briten auf die Monarchie?

Die Stärke des Königshauses beruht auf den verschiedenen Familienmitgliedern und Generationen. Die haben alle ihre eigenen Fanclubs. Es gibt jahrzehntelange Anhänger der Queen, die einem mit brüchiger Stimme erklären, dass sie Elisabeth schon im Jahr 1952 erlebt haben. In der jüngeren Generation haben eher die Söhne Harry und William ein großes Gefolge. Die, die sich jung verheiratet haben, schauen auf das Glück von William und Kate. Die, die noch Single sind, sagen sich: Wir suchen noch ein Weilchen, so wie Harry, der hat es auch nicht eilig.

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Queen Elisabeth II bei ihrer jährlichen Weihnachtsansprache | © picture-alliance/dpa (Foto: picture-alliance/dpa)

Queen Elisabeth II bei ihrer jährlichen Weihnachtsansprache

(Foto: picture-alliance/dpa)

Schaut man sich im sozialen Netzwerk Twitter Nachrichten junger Leute an, zeigen sich unterschiedliche Meinungen. Die offizielle Facebook-Seite "The British Monarchy" hat mehr als 1 Millionen begeisterte Fans. Es gibt aber auch Gegenstimmen. Eine junge, britische Twitternutzerin schreibt zum Beispiel: Ich hasse die Idee der Monarchie. Ich hasse es, dass wir für den Lebensstil des Königshauses Geld ausgeben". Gibt es bei jungen Briten eine ernsthafte Bewegung, die die Monarchie abschaffen will?

Es gibt keine wirkliche republikanische Bewegung. Auch nicht bei jungen Leuten, selbst wenn die eher über eine Abschaffung der Monarchie reden als ältere. Es gibt eigentlich auch keine guten Gründe dafür. Dass die britischen Royals ihre Sache schlecht machen, lässt sich nicht sagen. Das Königshaus wird in allen Ländern hofiert und ist ein gern gesehener Gast. Und der Lebensstil der britischen Monarchin ist nicht unbedingt teurer als das vieler nicht-royaler Staatsoberhäupter. Auch Präsidenten haben meistens einen teuren Amtssitz und reisen auf Staatskosten durch die Welt. Im Gegenzug lockt die Queen sogar noch Millionen von Touristen nach Großbritannien.

Auch in Deutschland hat das britische Königshaus eine große Anziehungskraft. Was bedeutet das, träumen die Fans hierzulande insgeheim auch von einer deutschen Monarchie?

Das Interesse am britischen Königshaus ist sicherlich groß, bei jung und alt. Das bedeutet aber nicht im Geringsten, dass irgendjemand den alten Kaiser Wilhelm zurückhaben will, den wir im Jahr 1918 los geworden sind. Wir freuen uns über die britische Monarchie: dass die Schlipse da etwas gerader sitzen, die Palastwache so elegant ist und dass zu einem Empfang Frack getragen wird. Und wir freuen uns, wenn die Queen oder ihre Kinder in Deutschland zu Besuch sind. Das war es dann aber auch.

Links

Offizielle Webseite des Königshauses 

Das Königshaus auf Facebook  

Portrait von Rolf Seelmann-Eggebert