fluter: Frau Grefe, können Sie uns erklären, was ein Bauer in Spanien mit dem Silicon Valley zu tun hat?
Die Landwirtschaft steht vor großen Umwälzungen. Auch Firmen im kalifornischen Silicon Valley basteln an der digitalen Revolution des Ackerbaus mit Robotern und Drohnen. Zum anderen befördert die rasante Beschleunigung der Datenverarbeitung die biotechnologische Forschung – und damit neue gentechnische Verfahren in der Pflanzenzüchtung. Auch von Mais oder Gemüse, die der spanische Landwirt anbaut.
Wenn man sieht, wie Google und Co. mit Daten umgehen: Muss man nicht Angst bekommen, wenn es plötzlich um die Grundlagen des Lebens geht?
Man kann nicht allen Unternehmen absprechen, dass sie vom Forschungsinteresse getrieben die Welt verbessern wollen. Aber natürlich geht es auch um Patente und darum, in der Zukunft Lizenzgebühren zu kassieren. Je mehr gentechnologische Verfahren patentiert werden, desto schwerer wird es für andere, weiter zu forschen. Kritik daran gibt es nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern oder bei der UNKonferenz für biologische Vielfalt.
Eine kalifornische Firma hatte angekündigt, Straßenlaternen durch Bäume zu ersetzen, die leuchten. Haben Sie die schon gesehen?
Nein, gesehen habe ich nur eine kleine Testpflanze. Die Verwirklichung der grünen Straßenlaterne mit Hilfe der synthetischen Biologie liegt in ferner Zukunft – falls es sie jemals geben wird. Die Natur erweist sich als viel komplexer, als manche Biohacker und Genforscher es sich ausmalen. Selbst einfache Organismen lassen sich mit den neuen Techniken keineswegs so zielstrebig manipulieren. Das zeigt auch, dass die ganze Euphorie über die synthetische Biologie übertrieben ist. Wir hatten in den 1970ern und 1980ern schon mal so einen Gentechnik- Hype. Damals hieß es auch schon: Jetzt haben wir den Schlüssel zu maßgeschneiderten Pflanzen in der Hand.
In manchen Gegenden der Erde kommen schon seit einigen Jahren genmanipulierte Pflanzen zum Einsatz. Wie sind die Erfahrungen?
Die sind eben nicht nur gut. In den USA gab es auf Feldern mit Mais oder Soja, die genetisch gegen das hochwirksame Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat resistent gemacht wurden, doch wieder sogenannte Beikräuter, die ebenfalls Resistenzen entwickelt hatten. So dass entweder noch stärkere Herbizide angewendet oder wieder konventionelle Pflanzen angepflanzt werden mussten.
Sie haben den US-amerikanischen Saatgutkonzern Monsanto besucht, der für viele Umwelt bewegte als das Böse schlechthin gilt. Können Sie das nachvollziehen?
Es ist immer bedrohlich, wenn ein Konzern so viel Macht hat und sie auch einsetzt. Die gesamte Saatgutindustrie ist ja hoch konzentriert. Aber sich nur entspannt zurückzulehnen und auf den bösen Monsanto-Konzern zu zeigen ist zu wenig. Wir müssen auch unsere eigene Rolle als Konsumenten hinterfragen. Die bisher gängigen Gentechnik-Pflanzen dienen nicht zuletzt dazu, den Bauern Zeit und Arbeit zu ersparen. Denn sie müssen bei Gen-Mais und -Soja hoch wirksame Unkrautvernichtungsmittel seltener spritzen. Die Landwirtschaft ist an der Rationalisierung, also einer kostengünstigeren Produktion interessiert, um der Lebensmittelindustrie günstige Rohstoffe für billige Futtermittel liefern zu können. Man kann also nicht gleichzeitig billiges Fleisch wollen und auf die Konzerne schimpfen, die das technologisch unterstützen.
Ist in einer globalisierten Welt zu erwarten, dass Gesetze wirken?
Am Beispiel der Landwirtschaft sieht man ja, dass regionale Bestimmungen funktionieren. In Europa gibt es Kennzeichnungspflichten und Regeln bei der Einführung von GVO-Produkten. In Europa haben wir das Vorsorgeprinzip, das heißt: Wenn es ein Risiko gibt oder man das nicht ausreichend klären kann, dann sollte ein Produkt eher nicht zugelassen werden. In den USA muss sich ein Produkt erst als schädlich erweisen, ehe sein Einsatz beschränkt wird. Über Regeln für die neuen gentechnischen Verfahren wird gerade in Brüssel beraten.
Manchmal erfährt man von den Folgen erst viel später. Wir haben in diesem He! einen Artikel über Burkina Faso, wo sich die genmanipulierte Baumwolle als minderwertig herausstellte (siehe Heft-pdf S. 34).
Oft kennen sich die Saatgutkonzerne zwar mit ihren Züchtungstechnologien gut aus, aber nicht mit den Bedürfnissen der Textilindustrie, den lokalen Böden und Anbaubedingungen oder der Kultur der Bauern, deren Lebensumstände weltweit extrem unterschiedlich sind. Auch das ist – neben dem schieren Verkaufsinteresse – ein Grund, warum manche Pflanzen in der einen Gegend erfolgreich sind und in der anderen floppen. Leider geht der Flop dann oft auf Kosten der Ärmsten.
Viele Bauern stehen mittlerweile am Ende komplexer Wertschöpfungsketten und verdienen zu wenig zum Leben.
Ein Grund dafür ist die neoliberale Ideologie, die in den 1980er- und 1990er-Jahren weltweit auf dem Vormarsch war und die vor allem auf die Befreiung der Märkte und die Schwächung des Staates zielte. Das hatte brutale Konsequenzen: Auf dem Land gab es jahrzehntelang kaum noch Banken, die staatliche Saatgutzucht wurde ebenso ausgehungert wie die staatliche Agrarberatung. Die Bauern wurden alleingelassen und waren dann erst einmal dankbar, als mit den Vertretern der großen Saatgutkonzerne neue Berater kamen.
Wie kann man es in Zukunft schaffen, dass der Nutzen der Technologie der Allgemeinheit zukommt und nicht vor allem den Konzernen? Wären Genossenschaften denkbar?
Genossenschaften können die Position der Bauern in den Wertschöpfungsketten stärken. Die Frage ist jenseits dessen: Welche Technologien brauchen und wollen wir? Alle reden über Gentechnik, aber es gibt in der Landwirtschaft viele andere, vernachlässigte Möglichkeiten, die Produktion ökologisch verträglicher zu machen. Was wir brauchen, ist eine Forschungsdebatte. Aus dem parlamentarischen Raum kommt da bislang viel zu wenig. Eine Debatte darüber, welche Forschung mit staatlichen Geldern betrieben wird, findet erst allmählich statt.
Welche Mitspieler gibt es neben den Konzernen noch in diesem Spiel?
Für die neuen Forschungsgebiete der Biotechnologie gab und gibt es große staatliche Fördertöpfe, ob in China, den USA, Deuschland oder auf Ebene der EU.
Aber sind staatliche Gelder nicht eh nur Peanuts im Vergleich zu den Milliarden der Konzerne oder privaten Stiftungen?
Es stimmt: Die Forschungsmittel der Konzerne sind viel umfangreicher. Aber oft ziehen Forschung und Industrie auch an einem Strang. Und wo staatliches Geld eine Rolle spielt, wäre es wichtig, dass andere Fragen gestellt werden – auch nach solchen Möglichkeiten, die nicht auf den ersten Blick Rendite versprechen.
Viele Menschen haben Angst davor, dass die Forschung hinter verschlossenen Türen geschieht, bei Unternehmen, aber auch beim Militär. Zu Recht?
Die Technologien eignen sich auch dafür, biologische Waffen herzustellen. Das finde ich bedrohlich. Riskant finde ich aber auch die Experimente mancher Biohacker in Garagenlaboren. Sie loben zwar, dass diese Technologien demokratisch seien, weil jeder sie nutzen kann. Mir wird aber ein bisschen schwummrig, wenn jeder mit den Genen herumexperimentiert.