"Die Welt ist alles, was der Fall ist," gut. Allein: was tue ich in dem Fall? Was soll ich tun? Auf den Höhen des Unumstrittenen ist Moral wohlfeil, eine feste Burg in der Ferne. Die von dort abgesandten Parolen klingen oft hohl. An den Rändern der Ordnungen aber wartet das Dilemma. Die Fragen werden offener, die Situationen fragwürdiger. Und auf einmal wird der gelassene moralische Pragmatismus der alltäglichen Routinen zum opportunistischen Furor, der alle zu ergreifen droht. Wer oder was bewahrt uns davor, zu Folterknechten, zu Gesetzesbrechern zu werden? Wann schlägt Ehrgeiz in gemeine korrupte Gier um? Wie begegnen wir dem Terror islamistischer Fundamentalisten und ihren moralischen Legitimationsfiguren? Was ist im Krieg gegen den Terror erlaubt? Ab wann beginnt die Würde des Menschen, z.B. angesichts der biotechnologischen Verheißungen? Laut Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist sie unantastbar. Was heißt das? Wo sind die Grenzen? Wer zieht sie? Wann gilt Was? Können wir’s nicht einfach sein lassen?
Moralische Fragen sind keine, die aus der sicheren Entfernung einfache Antworten abrufen. Wir geraten hier in den Nahbereich unserer Gesellschaften,der wirklichen Wirklichkeit von uns selbst. Hehre Ansprüche, verkündet von den jeweils verfügbaren Kanzeln (immer herab), sind das eine. Unsere Handlungsweisen sind das konkrete Andere. Entscheidend ist, wie wir uns entscheiden im Fall der Fälle.
Thorsten Schilling