Mit dem Handel kommt Bewegung in die Sachen. Viele Kultur­techniken, die mit dem Handel verbunden sind, prägen unsere Gesellschafft – das Aushandeln verschiedener Interessen, die Be­reitschaft zum Wagnis neuer Absatzmärkte, Risikostreuung durch Zwischenhandel und immer raffiniertere Versicherungen und Zahlungsgeschäfte, das Gespür dafür, kulturelle Differenzen als Chance zu begreifen, Nachfrage zu wecken und Angebote passend zu machen.

Inzwischen hat sich mit der Globalisierung und der digitalen Vernetzung der gesamten Handelsprozesse eine neue Dimension offenbart: Der Welthandel ist über digitale Plattformen in Echt­zeit organisiert und auf allen Endgeräten jederzeit präsent. Gren­zen scheinen kaum noch zu existieren, es gibt scheinbar keine Nische, keine Sache oder Dienstleistung, die nicht handelbar wäre. Wir als Verbraucher haben mehr denn je die Wahl – wenn wir es uns leisten können.

Diese schöne neue Welt hat ihre Kehrseiten. Der Preis für das Fleisch ist niedrig, weil die langfristigen Kosten des Raubbaus an den Tropenwäldern nicht eingerechnet werden und weil mit Steuergeldern subventionierte Waren woanders Absatzmärkte auf Kosten der regionalen Hersteller dominieren. Die raffinierten digitalen Logistikketten bringen uns nahezu alles umstandslos ins Haus, der Preis können aber leere Stadtzentren sein oder der Ausverkauf unserer digitalen Bürgerrechte, noch ehe sie uns richtig bewusst geworden sind. Und dass der größte Hafen Deutsch­lands immer noch im globalen Wettbewerb bestehen kann, ist für die Stadt Hamburg lebenswichtig. Wenn er aber im Verhältnis zu früher nahezu menschenleer betrieben wird, ist das ein Aus­blick auf das Verschwinden der Arbeit, wie wir sie kannten. Der weltweite Freihandel bietet weitere Möglichkeiten, faszinierende wirtschaftliche Dynamiken einer nahtlos vernetzten Welt zu entfesseln. Aber wie steht es mit den mühsam erkämpften sozialen, rechtlichen und umweltpolitischen Standards? Wie soll ein faires Gleichgewicht der Interessen hier aussehen?

Handel ist die bewegliche Seite der Macht. Die fließende Ver­ teilung von Macht und Ohnmacht ist in Handelsströmen immer mit präsent. Der Reichtum der einen, wenigen kam oft aus der Übervorteilung, Ausbeutung und Versklavung der anderen, vie­len. Auch wenn heute die Sklaverei in den meisten Ländern ab­geschafft ist – der Anfang vieler Lieferketten ist oft noch ver­bunden mit sklavenähnlichen Zuständen bei den Herstellern. Schwarzmarkt kann heute auch bedeuten, dass Organhandel ein viel zu harmloses Wort ist für Verhältnisse von organisierter Körperverletzung bis hin zu Mord.

Mit der Welt des Handels kommen auch die Widersprüche, Ungerechtigkeiten und ungelösten Fragen der Welt und der Ge­sellschaft in den Blick. Was ist uns etwas wert? Erste Ansätze für andere Werthaltungen und breitere Perspektiven in der Verfas­sung des Handels gibt es, aber bisher meist nur in Nischen und zu Preisen, die sich längst nicht alle leisten können. Zeit, zu handeln.