Zuneigung und Ablehnung, Liebe und Hass, Vertrauen und Misstrauen, Macht und Ohnmacht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit erleben wir hier oft zum ersten Mal, und unsere eigenen Werthaltungen und Lebensentwürfe entfalten hier schon in den Tagen von Kindheit und Jugend sehr unmittelbare Wirkungen. Familie ist ein Schicksal, das unseren Namen trägt und das wir mitgestalten. So direkt und immer wiederkehrend wie in familiären Beziehungen wird uns das in anderen Lebenswirklichkeiten nur selten begegnen. Wenn Familien gelingen, wird Glück lebendig. Die sprichwörtlichen Familienbande gehören deshalb zu den entscheidenden Gebilden in der Textur der sozialen Wirklichkeit.
Dabei gibt es Familie eigentlich nur im Plural – nicht nur, weil Familie immer mehrere Menschen und Generationen einbezieht, auch die Formen, in denen Familien sich heutzutage realisieren, sind vielfältig wie nie. Das – historisch betrachtet – relativ junge bürgerliche Vater-Mutter-Kind-Modell ist inzwischen nur ein Familienentwurf von vielen, neben Patchwork-, Regenbogen-, Adoptiv- und Großfamilien und vielem mehr.
In diesem Heft sind wir einigen Geschichten, die das Leben der Familien erzählen, nachgegangen.
Die Politik des Alltags findet sich hier in sehr konkreten Situationen wieder. Entscheidungen, die hier gelebt werden, bilden den alltäglichen Resonanzraum für die Debatten und Entscheidungen der „großen“ Politik. Familienpolitik selbst ist ein umfangreicher Politikzweig, es geht um viel Geld und Ressourcen. Dabei ist das Verhältnis von Staat und Familie nicht frei von Spannungen und Widersprüchen. Wenn bestimmt wird, wer sich offiziell als Familie bezeichnen darf und welche Modelle staatlich gefördert, sanktioniert oder ignoriert werden sollen, findet Familienpolitik an den neuralgischen Punkten der Entwicklung der ganzen Gesellscha statt. Nicht umsonst steht im Grundgesetz, dass die Erziehung in der Familie gegenüber dem Staat geschützt ist – bis zu einer gewissen Grenze, die dort endet, wo Kinder gefährdet sind.
Die soziale Fantasie, die sich in den konkreten Wirklichkeiten der Familien zeigt, bildet ein Fundament für den Zukunftsentwurf der Gesellscha . Diese Vielfalt anzuerkennen und für das Ganze produktiv zu machen ist schwierig, aber entscheidend.