Flucht hat viele Gesichter. Millionen Menschen machen sich jedes Jahr weltweit auf die Flucht. Die massenmediale Wahrnehmung dieses Geschehens bietet uns hier in Deutschland oft nur einen begrenzten Ausschnitt.
In den letzten Monaten ist die Flucht von Tausenden Menschen über das Mittelmeer nach Europa in den Fokus gerückt. Schnell wird dann versucht, politisches Kapital zu gewinnen, indem Ängste geschürt oder vermeintlich einfache Lösungen präsentiert werden. Für eine realistische Perspektive lohnt der Blick auf die konkrete Vielfalt dieses Geschehens.
Wer flieht, begibt sich in Gefahr. Doch die Angst vor Bürgerkriegen, Gewalt und Elend ist oft größer als die vor einem ungewissen Ausgang der Flucht. Die zunehmend auch Folge des Klimawandels ist, der Überflutung, Dürre und Hunger bringt. Gewalt kann aber schon im eigenen Land zur Flucht drängen, wie in Kolumbien. Oder hier in Deutschland, wenn die Vorstellung des selbstbestimmten Glücks in brutalem Kontrast zu den traditionellen Wertvorstellungen der eigenen Familie gerät.
Flüchtlinge haben Rechte. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht und hat in Deutschland Verfassungsrang. Das ist auch eine Konsequenz der eigenen historischen Erfahrung millionenfacher Vertreibung. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Deutschland anteilig vergleichbar viele Flüchtlinge zu integrieren wie gegenwärtig zum Beispiel Syriens Nachbarstaaten. In vielen Familiengeschichten ist so bei uns ein Resonanzraum geborgen für den konkreten Umgang mit den Vertriebenen von heute. Flucht wird auch zum Geschäft. Die Profitraten der Schlepperorganisationen sind extrem hoch. Entsprechend professionell aufgestellt sind sie, vergleichbar mit dem internationalen Drogenhandel in der Hand organisierter Kriminalität. Der polizeiliche und militärische Kampf dagegen ist schwierig, die politische Zielstellung oft widersprüchlich.
Was aber kann die Lösung sein? Wozu sind die europäischen Gesellschaften bereit? Welche Kraft zur Gestaltung von Integration können sie aufbringen? Die prekäre Lage der Flüchtlinge verweist auch auf die eigenen inneren Widersprüche. Wie offen für die Nöte, kulturellen Spannungen und sozialen Probleme der Menschen sind wir wirklich? Was kann und muss getan werden? Die Unterscheidung, wann ein Mensch Flüchtling ist und wann „nur“ ein Auswanderer, ist nicht einfach zu ziehen. Der institutionelle Aufwand, um hier Rechtssicherheit zu geben, ist beträchtlich.
Jede Einwanderung ist für die aufnehmenden Gesellschaften eine Herausforderung. Es gibt auch in Deutschland die Angst vor Überforderung, eine instinktive Abweisung, quer durch alle Schichten. Es gibt aber auch eine erneuerte Kultur der Offenheit, sich der Flüchtlinge anzunehmen. Es hat sich einiges getan. Es bleibt mehr als genug zu tun.