„Ehe für alle“? Dürfen gleichgeschlechtliche Paare nicht schon längst heiraten?
Eine echte Ehe dürfen homosexuelle Paare bisher nicht eingehen. Seit 2001 können sie eine Lebenspartnerschaft registrieren lassen. Auch wer sich „verpartnern“ will, geht dazu aufs Standesamt. Laut Daten des Statistischen Bundesamts gab es bis Ende 2015 rund 43.000 eingetragene Lebenspartnerschaften in Deutschland – neuere Daten liegen noch nicht vor. Lebenspartner sind Ehepaaren in vielen Bereichen, aber nicht völlig rechtlich gleichgestellt.
Was würde sich mit der „Ehe für alle“ im Vergleich zur bisherigen eingetragenen Lebenspartnerschaft verändern?
Zunächst einmal, dass gleichgeschlechtliche Paare tatsächlich eine Ehe schließen dürften, was natürlich nicht nur, aber auch eine symbolische Kraft hat: Jeder und jede hätte dann, unabhängig von der sexuellen Orientierung, ein Anrecht auf das Original. Denn die Befürworter der „Ehe für alle“ wollen nicht die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe angleichen, sondern letztere auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. Damit hätten homosexuelle Ehepaare vollständig die gleichen Rechte und Pflichten wie heterosexuelle Ehepaare. Eine wichtige rechtliche Veränderung zur derzeitigen Lebenspartnerschaft bestünde bei Adoptionen. Denn das Adoptionsrecht ist einer der letzten Bereiche, in dem Lesben und Schwule rechtlich benachteiligt werden: Die gleichzeitige gemeinsame Adoption eines Kindes ist Lebenspartnern nicht erlaubt. Sie können ein Kind seit 2013 in einem vergleichsweise komplizierten Verfahren nacheinander adoptieren. Dann wären sie ebenfalls gemeinschaftliche Eltern des Kindes. Unterschiede gibt es ebenfalls noch im Abstammungsrecht. Werden Kinder etwa in die Lebenspartnerschaft von zwei Frauen hineingeboren, sind sie rechtlich nur Kinder der leiblichen Mutter. Erst durch eine Stiefkindadoption kann die Lebenspartnerin zum zweiten rechtlichen Elternteil des Kindes werden.
Aber abgesehen vom Adoptions- und Abstammungsrecht sind homosexuelle und heterosexuelle Paare seit 2001 gleichberechtigt?
Nein, die weitgehende Gleichstellung kam erst nach und nach. Das Lebenspartnerschaftsgesetz war zwar ein wichtiger Meilenstein, weil damit ein rechtlicher Rahmen geschaffen und gesellschaftliche Anerkennung signalisiert wurde. Doch gerade zu Beginn war die eingetragene Lebenspartnerschaft eher Heiraten in der Light-Version. Verpartnerte gingen zwar eheliche Pflichten ein, es gab für sie aber nur einen Teil der Rechte: unter anderem ein Besuchsrecht im Krankenhaus. Insbesondere finanziell waren Verpartnerte aber gegenüber Ehepartnern erst mal noch benachteiligt: Sie bekamen keine steuerlichen Vorteile wie das Ehegattensplitting, hatten keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente und waren auch im Erbrecht schlechter gestellt. Mittlerweile werden eingetragene Lebenspartnerschaften von diesen Verfahren gesetzlich nicht mehr ausgeschlossen, sodass diese Unterschiede heute nicht mehr bestehen. In vielen Fällen, weil Lesben und Schwule gegen die Benachteiligungen vor Gericht gezogen sind.
Welche Meinungen gibt es zur „Ehe für alle“?
Eine deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland sagt: Ehen zwischen zwei Frauen und zwischen zwei Männern sollten erlaubt sein. In einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sprachen sich knapp 83 Prozent der Befragten dafür aus. Die mit der Ehe verbundene Gleichstellung beim Adoptionsrecht befürwortet ebenfalls eine Mehrheit. Insgesamt unterstützen die Gleichstellung fast 76 Prozent der Befragten. Im Umkehrschluss heißt das: Nahezu jeder Vierte ist dagegen, dass es lesbischen und schwulen Paaren genauso wie heterosexuellen Paaren erlaubt wird, gemeinsam Kinder zu adoptieren.
In welchen Ländern gibt es die „Ehe für alle“ bereits?
In 21 anderen Ländern weltweit. Auf dem amerikanischen Kontinent zählen dazu die USA, Kanada, Kolumbien, Brasilien, Uruguay und Argentinien, in Ozeanien Neuseeland und in Afrika Südafrika. Dazu kommen 13 EU-Staaten: Die Niederlande haben 2001 als erstes Land die Ehe für alle eingeführt. Inzwischen gibt es sie auch in Belgien, Norwegen, Schweden, Portugal, Island, Dänemark, Frankreich, Großbritannien (außer Nordirland), Luxemburg, Finnland, Spanien und Irland. In Italien, Österreich und der Schweiz gibt es wie in Deutschland die Möglichkeit, eine Lebenspartnerschaft – unter leicht abweichenden Namen – eintragen zu lassen.
Titelbild: laif