Als Kind verbrachte Eva Lindner jedes Pfingsten mit ihren Eltern auf einem Campingplatz im jugoslawischen Istrien. Doch während des Urlaubs 1991 begann der Zusammenbruch des Landes. Ein Jahr später lag Istrien dann in Kroatien, im Süden des jungen Staates herrschte Krieg. Familie Lindner fuhr dennoch wieder auf den Campingplatz. Sie waren dort fast die einzigen.
Seit ich denken kann, zieht Kroatien meine Familie magnetisch an. Meine Eltern haben sich auf der Insel Rab kennengelernt. In einer Kiste zu Hause liegen Bilder von meiner Mutter, wie sie – hochschwanger – im Wind surft und mich in ihrem Bauch zwischen dem Segel und der Adria vor sich her balanciert.
Jede Pfingstferien fuhren wir mit dem Wohnwagen auf einen Campingplatz nach Istrien. Es war magisch: Kurz nach der Abfahrt spätabends aus München schloss ich die Augen und schlief auf dem Rücksitz ein. Wenn ich die Augen öffnete, waren wir am Meer. Hier lernte ich schwimmen, traf meine Brieffreundin und verliebte mich zum ersten Mal. Den Geruch von Pinien, den Geschmack von Cevapcici mit Ajvar und das Gefühl von sonnenwarmen Felsen auf der Haut werde ich immer mit Kroatien verbinden.
1991 brach in Jugoslawien Krieg aus, Slowenien und Kroatien lösten sich aus dem Staatsverband, als wir gerade unsere Ferien in Istrien verbrachten. Ich war erst sieben Jahre alt, aber ich erinnere mich, wie ich die Nervosität meiner Eltern spürte, als sie mit anderen Urlaubern sprachen. Viele wollten ihre Boote noch schnell ins italienische Triest überführen, doch die Kroaten verkauften bereits kein Benzin mehr an Ausländer. Kurz nachdem wir wieder in Deutschland waren, fuhren in Österreich Panzer an der Grenze zu Slowenien auf, wo die Bewohner für Unabhängigkeit kämpften. Wir waren froh, dass wir es noch nach Hause geschafft hatten. Nur mein Bruder war traurig. Lieber wäre er am Strand geblieben als wieder in die Schule zu müssen.
Aus Solidarität kamen wir im Jahr darauf zurück. Wir wollten uns unseren Ferienort nicht nehmen lassen und unseren kroatischen Bekannten zeigen, dass wir ihr Land lieben. Auf dem Campingplatz waren wir fast die einzigen Besucher. Und während ich auf meiner Luftmatratze im Meer schaukelte, kämpften im Süden des Landes die kroatischen gegen die serbischen Truppen. Ab und zu konnte ich aus der Ferne Jets und Einschläge hören. Am Ende unseres Urlaubs baten uns Kellner und Angestellte, in Deutschland auszurichten, dass in Istrien kein Krieg herrscht und sie die Touristen brauchen. Wir versprachen wiederzukommen.
Wir hielten unser Versprechen noch viele Jahre. Die Magie ist bis heute geblieben. Diesen Sommer werde ich wieder in Kroatien verbringen.
Eva Lindner lebt heute als Journalistin in Berlin.