Die Stellenanzeige klingt verlockend. Ein Arbeitsplatz in Washington, D. C., wird da geboten, mit Aussicht auf Auslandsreisen, einem Fünfjahresvertrag und bis zu 115.000 Dollar Jahresgehalt. Gesucht wird ein „Polygraph Examiner“, also ein Mensch, der einen Lügendetektor bedienen kann. Auch „in konfrontativer Umgebung“, wie es in der Anzeige heißt. Da wird klar, dass dieser Job kein normaler ist: Arbeitgeber ist nämlich die Central Intelligence Agency, besser bekannt als CIA.

Die Anzeige der CIA ist schon Jahre alt, aber sie wird immer wieder aktualisiert. Was ist das für ein Gerät, wenn einer der mächtigsten Geheimdienste der Welt ihm dabei vertraut, Wahrheit und Lüge voneinander zu scheiden?

Die erste Unwahrheit steckt schon im deutschen Wort „Lügendetektor“. Eine Lüge kann der moderne Detektor nämlich gar nicht erkennen. Er misst vielmehr über eine Manschette den Blutdruck und über Sensoren die Atmung, den Puls und die Leitfähigkeit der Haut. Je feuchter die Haut vom Schweiß, desto besser leitet sie Strom. Das Prinzip: Aus den Messdaten lässt sich die innere Anspannung des Probanden ablesen. Beim Lügner sollen demnach der Puls und die Atemfrequenz steigen. Auch wird angenommen, dass er vor Aufregung schwitzt. Eine „ehrliche Haut“ hingegen bleibt trocken.

So jedenfalls dachte es sich John Larson, der als Kind mit seinen Eltern von Kanada in die USA gezogen war, als er 1921 – auf der Basis einer Maschine von William Moulton Marston – den ersten modernen Lügendetektor entwickelte. Larson, ein junger, begabter Physiologe, kombinierte ein Blutdruckmessgerät mit einem Atemmesser, um Lügner zu entlarven. Das Prinzip: Dem Probanden werden Sonden an der Brust und am Oberarm befestigt. Dann werden ihm Fragen vorgelesen, und er muss antworten. Ein Diagramm zeigt gleichzeitig die körperliche Reaktion an. Deshalb heißt der Lügendetektor im Fachjargon Polygraf – ein Apparat, der viele Linien schreibt. Larsons erste Versuchsperson, eine junge Studentin namens Margaret Taylor, wurde übrigens später seine Frau. Die Herzensprüfung hatte sie also mindestens bestanden.

John Larson trat nach seinem Studium der amerikanischen Polizei bei, als erster Mensch mit einem Doktortitel. Seine Apparatur, die noch wie eine Riesennähmaschine mit Tentakeln aussah, wurde von seinem einstigen Assistenten Leonarde Keeler erweitert. Nun reagierte der Detektor auch auf Fingerschweiß. Haufenweise Polygrafen schafften die Polizeibehörden in den folgenden Jahrzehnten an, nicht nur, weil man glaubte, dass sich Aussagen von Verdächtigen damit mit wissenschaftlichen Methoden prüfen ließen, sondern auch, weil Keeler für die Maschine im ganzen Land lobbyierte.

Auch in anderen Ländern, darunter Israel und Kanada, ist der Polygraf in Gebrauch – aber nirgendwo so obsessiv wie in den USA. Etwa 1,6 Millionen Lügentests werden schätzungsweise jährlich durchgeführt. Das FBI nutzt sie, die CIA und auch die National Security Agency (NSA). Sie prüfen damit nicht nur die Aussagen von Verdächtigen. Sie nutzen den Apparat auch, um Personal zu rekrutieren. Zwei Hauptfragen soll der Test beim Geheimdienst zu beantworten helfen: Ist der Bewerber ein Spion? Und was könnte ihn später erpressbar machen? Erforscht werden die Lügendetektoren übrigens im National Center for Credibility Assessment, dem „Nationalen Zentrum für Glaubwürdigkeitsbeurteilung“, einem Institut des Militärnachrichtendienstes der USA.

Seit einigen Jahren nutzen sogar amerikanische Soldaten in Afghanistan einen mobilen Lügendetektor, der in etwa so aussieht wie das Ticketprüfgerät eines Bahn-Mitarbeiters. Er ist mit Sensoren an der Hand des Probanden verbunden. Im Gegensatz zum großen Lügendetektor misst der mobile nur die Leitfähigkeit der Haut und den Puls. Damit, so heißt es aus dem Pentagon, sollen Bewerber für einen Posten als Wachmann oder Übersetzer überprüft und potenzielle Attentäter der Taliban ausgesiebt werden.

Ein Frankenstein'sches Monster

Doch selbst wenn Polygrafen bei der Wahrheitsfindung helfen können, sind sie nicht unfehlbar. Larson selbst nannte seine Erfindung kurz vor seinem Tod im Jahr 1965 ein „Frankenstein’sches Monster“, das außer Kontrolle geraten sei. Denn man muss nicht unbedingt lügen, um aufgeregt zu sein. Auf die Frage, ob man jemanden umgebracht habe, reagieren auch Unschuldige nervös.

Außerdem lässt sich der Detektor auch gezielt austricksen. Ausgerechnet bei den gefährlichen Spionen des „Klassenfeinds“ aus den kommunistischen Staaten schien der Apparat wirkungslos. „Wir merkten, dass einige Osteuropäer und Asiaten den Lügendetektor jederzeit überlisten konnten“, sagte Richard Helms, ehemaliger Leiter der CIA, bei einer Anhörung im US-Kongress 1978. „Wir werden dazu erzogen, die Wahrheit zu sagen, und wenn wir dann lügen, merkt man das leicht.“

Allzu effektiv arbeitete der Lügendetektor indes auch bei Helms’ Landsleuten nicht. Sieben Jahre und einige Geheimdienstskandale später ordnete US-Präsident Reagan an, alle Beamten, die in sicherheitsrelevanten Positionen arbeiten, grundsätzlich einem Lügendetektortest zu unterziehen. Doch trotz der Paranoia des Kalten Krieges wurde Aldrich Ames – einer der erfolgreichsten Doppelagenten der Geschichte – erst 1994 enttarnt. Ames war Angestellter der CIA, spionierte aber auch jahrelang für den sowjetischen Geheimdienst. Zweimal musste er in dieser Zeit einen Lügendetektortest absolvieren. Sein sowjetischer Führungsoffizier riet ihm vorher, sich einfach „gut auszuschlafen“ und nett zum Prüfer zu sein. Und tatsächlich: Ames bestand beide Male den Test.

Im Jahr 2003 untersuchten dann Forscher der amerikanischen National Academy of Sciences, der National Academy of Engineering und des Institute of Medicine in einer Metastudie die Zuverlässigkeit des Polygrafen. Das Ergebnis: Der Detektor sei zwar „besser als der Zufall, aber weit entfernt davon, perfekt zu sein“. Bis heute darf der Test daher zwar von der Polizei genutzt werden, um eine Aussage zu verifizieren. Doch für eine Verurteilung reicht der Polygrafentest nicht.

Hirnforscher suchen nach Alternativen

Der deutsche Bundesgerichtshof nannte den Lügendetektor in einem Urteil von 1998 sogar ein „völlig ungeeignetes Beweismittel“. Ein paar Ausnahmen gibt es allerdings schon: So hat zum Beispiel das Oberlandesgericht in Dresden 2013 entschieden, dass Lügendetektoren in Sorge- und Umgangsrechtsfällen eingesetzt werden dürfen. Allerdings laut Urteil nur, „um einen Unschuldigen zu entlasten“.

Hirnforscher suchen derweil nach zuverlässigeren Alternativen – bislang mit mäßigem Erfolg. Mit einem Magnetresonanztomografen lassen sich unterschiedliche Erregungsmuster im Gehirn erkennen. Denn neurologisch gesehen muss eine Lüge mühsam im Kopf konstruiert werden. Die Wahrheit aber lässt sich leicht aus dem Gedächtnis abrufen. Doch auch diese Untersuchung kann ein Proband manipulieren, indem er sich die erfundene Geschichte vorher bis ins Detail einprägt. Die damit verbundenen Vorgänge im Gehirn verändern das Bild der Forscher – und lassen die Lüge wie eine Wahrheit aussehen.

In naher Zukunft ist von Hirnforschern also kein Wunder zu erwarten. Aus Mangel an Alternativen klammern sich die US-Behörden noch immer an den Polygrafen. Edward Snowden, der Mann, der die globale Überwachung durch US-Geheimdienste aufzudecken half, arbeitete eine Zeitlang für die CIA. Wie alle CIA-Mitarbeiter musste auch er sich einem Lügendetektortest unterziehen. Snowden hat ihn damals bestanden. Früher wurden die Mitarbeiter der NSA alle fünf Jahre zum Lügendetektor geschickt. Heute, in der Zeit nach Snowden, müssen sie alle drei Monate zur Kontrolle.

Wir haben Abstand genommen davon, Jan Ludwig nach Abgabe seines Textes selbst einem Lügendetektor-Test zu unterziehen. Er ist für äußerst verlässliche Recherche bekannt. Außerdem werden alle Fakten zusätzlich noch von unserer Abteilung Dokumention überprüft.