In der Adventszeit gab es in den deutschen Feuilletons wieder eine Diskussion über Feminismus: Die neuen FeministInnen seien nicht witzig und nicht intellektuell genug, schrieb Hannah Lühmann auf „Zeit Online“. Es ging dabei auch um die Frage, wer sich heute überhaupt „Feministin“ oder „Feminist“ nennen möchte. Lühmann bekam auf ihren Beitrag einige kritische Antworten – unter anderem von der Autorin dieses Textes –, aber in einem Punkt hat sie recht: Viele Menschen sind unsicher, was „Feminismus“ (der sich eben bei weitem nicht einfach als „Frauenrechtsbewegung“ übersetzen lässt) überhaupt bedeutet und ob sie mit ihren Sichtweisen zu diesem Club gehören oder nicht.

Nun sind in den vergangenen Monaten gleich drei Bücher erschienen, die sich auf unterschiedliche Arten mit diesen Fragen beschäftigen: „Stand up“ von Julia Korbik, „Weil ein #Aufschrei nicht reicht“ von Anne Wizorek und „Pink Für Alle!“ von Stevie Meriel Schmiedel.

Optisch am auffälligsten ist dabei „Stand up – Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene“. Die zunächst wuchtig wirkenden 400 Seiten Text werden aufgelockert von kleinen Bildern, Kurzporträts, Interviews, Statistiken und anderem hübschen Schnickschnack – wie etwa diesem Zitat von der britischen Journalistin Rebecca West: „People call me a feminist whenever I express sentiments that differentiate me from a doormat.“

Feminismus ist für die 1988 geborene Journalistin Julia Korbik nicht einfach bloß eine Meinung. Er ist eine Lebenseinstellung, die einem dabei helfen kann, „die Person zu sein, die man sein möchte“ – und zwar unabhängig von den Rollen, die für einen vorgesehen sind. Feminismus heißt für Korbik auch, dass Männer „Grey’s Anatomy“ sehen können, ohne ausgelacht zu werden. Die Frage, ob FeministInnen Nagellack tragen dürfen, klärt Julia Korbik ohnehin gleich auf dem Cover.

„Die Vorstellung, Feministinnen seien so ziemlich die hässlichsten Wesen dieser Erde (hässlicher als ein Nacktmull!), ist das älteste aller Vorurteile“, schreibt Korbik und erklärt auch gleich, woher diese Idee kommt: In einer Gesellschaft, in der Frauen vor allem nach dem Äußeren beurteilt werden, ist „die Hässlichkeitskeule“ eben ein sehr wirksames Mittel, um Mädchen oder Frauen abzuwerten.

„Stand up“ ist in einer einfachen, zugänglichen Sprache geschrieben. Korbik zeichnet die Geschichte des Feminismus – mit deutsch-amerikanischem Schwerpunkt – nach und erklärt verschiedene Strömungen wie radikalen, Differenz-, marxistischen oder Ökofeminismus. Ihnen allen ist laut Korbik gemeinsam, „dass sie Geschlechterverhältnisse als Macht- und Herrschaftsverhältnisse begreifen“.

Weniger bunt, aber noch schneller, noch direkter geschrieben ist „Weil ein #Aufschrei nicht reicht. Für einen Feminismus von heute“ von Anne Wizorek. Ebenjenen #Aufschrei in Form eines Twitter-Hashtags, das Anfang 2013 eine große Debatte über Alltagssexismus auslöste, hatte Wizorek, Jahrgang 1981 und Beraterin für digitale Medien, mitinitiiert. Ihr Buch ist zweigeteilt: Die erste Hälfte erklärt in sieben Kapiteln, was Feminismus für sie heute bedeutet. Wizorek schreibt über sexuelle Selbstbestimmung, verschiedene Arten von Sexismus, über Hausarbeit, Gewalt und Quoten, über Homo-, Bi- und Transsexualität. Grundton: Nein, es ist längst nicht alles erreicht – konkret heißt das etwa: „Solange ‚Hast du abgenommen?‘ immer noch als ultimatives Kompliment gilt, ist die Eroberung unserer eigenen Körper nicht gelungen.“

Dass feministische Forderungen nicht überall von Beifall und Konfetti begleitet werden, weiß Wizorek sehr gut. „Wir wollen radikalen Wandel, das muss Leute anpissen.“ Warum und wie dieser Wandel aber auch Spaß machen kann, erklärt sie im zweiten Teil ihres Buches. Hier beschreibt Wizorek sehr persönlich, wie sie zum Feminismus kam – und dass das gar nicht so lange her ist. Lange Zeit hielt sie die Selbstbezeichnung „Feministin“, wie sie sagt, „auf Sicherheitsabstand wie ein kleines Stinktier“. Wizorek schreibt ein ganzes Kapitel nur für Männer (Fazit: „Wir brauchen dich“), und natürlich erklärt sie auch, wie das Internet helfen kann, feministisch aktiv zu werden. In nicht weniger als 427 Fußnoten finden sich haufenweise Links und Leseempfehlungen zu Studien, Blogs, Artikeln oder auch nur einzelnen Tweets.

Stilistisch und inhaltlich ziemlich anders ist „Pink Für Alle! Der neue feministische Protest gegen Sexismus in Werbung und Spielzeug“ von Stevie Meriel Schmiedel. Die Kulturwissenschaftlerin und Genderforscherin, Jahrgang 1971, hat die Kampagne „Pinkstinks“ in Deutschland nach englischem Vorbild gegründet und kämpft mit ihr gegen die „Pinkifizierung“ von Mädchen und gegen beschränkte Geschlechterrollen. Mädchen sollen mehr sein dürfen als Prinzessin, Model oder Meerjungfrau, gleichzeitig sollen aber auch Jungs sich mit Glitzer hübsch machen dürfen oder Rosa tragen, wenn sie wollen. Parallel zu „Pink Für Alle!“ veröffentlichte Pinkstinks auch das Kinderbuch „David und sein rosa Pony“ über einen Jungen, der mit „Mädchenspielzeug“ spielt.

„Pink Für Alle!“ richtet sich nicht nur an (potenzielle) Eltern, sondern auch an alle, die sich für Marketingstrategien, Kapitalismuskritik oder Märchen interessieren – und an diejenigen, die etwas über Feminismus lernen wollen und denen der Stil von Julia Korbik oder Anne Wizorek zu flapsig ist. Stevie Meriel Schmiedel schreibt darüber, warum es „Teil unserer Kultur“ ist, Mädchen nichts zuzutrauen, und was daran falsch ist, wenn Müslisorten oder Bobbycar in zwei geschlechterspezifischen Varianten auf den Markt kommen. Wobei „falsch“ natürlich nur für die Kinder gilt – die Industrie freut sich, dass sie Produkte doppelt verkaufen kann, einmal in Rosa und einmal in Blau, einmal mit Prinzessin Lillifee und einmal mit Käpt’n Sharky.

Es ist dem im Eigenverlag erschienenen Buch zu verzeihen, dass es, nett ausgedrückt, nicht perfekt Korrektur gelesen wurde. Dafür versammelt es eine Fülle an kaum bekannten Fakten und Argumenten: über Frauenbilder, Essstörungen und Mode, über Studien und Kinderbücher. Besonders schön sind die zwei Märchenkapitel, in denen Schmiedel Stück für Stück Grimm-Klassiker seziert, bis von Schneewittchen („ein Märchen, das uns lehrt, wie wichtig Schönheit ist“), Dornröschen („eine Menstruationsgeschichte“) und dem Froschkönig („nein“ muss „nein“ heißen) nicht mehr viel übrig bleibt.

Vier schöne Gemeinsamkeiten haben die drei Neuerscheinungen: 1.) Sie stehen für einen niedrigschwelligen Feminismus. Sie erklären sehr viel und versuchen, ihre Botschaft leicht verständlich zu machen. Wizoreks und Korbiks Bücher haben ein Glossar. 2.) Die Autorinnen sind kämpferisch und unversöhnlich im positiven Sinne. Sie erklären, aber sie relativieren nicht. 3.) Alle drei versuchen außerdem, Männer mit ins Boot zu holen, und schreiben, warum auch sie davon profitieren, wenn strikte Rollen aufgelöst werden. Und 4.) Alle drei Bücher sind sehr pragmatisch angelegt und geben im jeweils letzten Kapitel Tipps für Leute, die sich engagieren wollen (oder „pinksüchtige“ Töchter haben): eine Art feministische Starthilfe.

Im Frühjahr geht die Feminismusdebatte auf dem deutschen Buchmarkt weiter: Schon Ende Februar kommt die deutsche Übersetzung von Laurie Pennys „Unspeakable Things“: „Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution“ (Edition Nautilus). Anke Domscheit-Berg ruft im März „Ein bisschen gleich ist nicht genug!“ (Heyne). Antje Schrupp hat mit der Künstlerin Patu eine „Kleine Geschichte des Feminismus“ (Unrast) geschaffen, und Katrin Rönicke macht im Mai eine klare Ansage zum Thema Geschlechterrollen: „Barbie ist ein Ar*?#!, Ken auch – Eine Emanzipation“ (Metrolit).

Margarete Stokowski schreibt als freie Autorin hauptsächlich zu – Überraschung! – Feminismus und Literatur. Ihre Kolumne „Luft und Liebe“ erscheint alle zwei Wochen in der „taz“.