Wann haben Sie zuletzt ein Pfandsiegel aufgeklebt?
Das ist schon länger her – vier, fünf Jahre bestimmt. Früher ist das allerdings häufiger vorgekommen. Mittlerweile wohnen hier in Neukölln ja hauptsächlich ausländische Mitbürger, die zum Teil aus Kriegsgebieten kommen und über wenig eigenes Vermögen verfügen – in der Regel gibt es bei denen nichts zu pfänden.
Welche sind die häufigsten Anliegen der Klienten, die zu Ihnen kommen?
Zu mir kommen einerseits die Gläubiger, die mir den Auftrag geben und sich Geld zurückholen wollen, und andererseits diejenigen, die ihre Schulden begleichen wollen, Ratenzahlung beantragen oder Beratung brauchen. Die meisten Schulden, die den Leuten entstehen, sind Konsumschulden: zum Beispiel durch Versandhausbestellungen, die nicht gezahlt werden können oder Handyrechnungen, die manchmal 3000 bis 4000 Euro betragen. Keine Ahnung, wie so was zustande kommt.
Wie würden Sie die Menschen beschreiben, die in solche Schwierigkeiten gekommen sind?
Da kann man schlecht allgemeine Aussagen machen, das geht durch alle Schichten und Altersstufen. Bei alten Leuten ist es allerdings so, dass sie ihre Schulden meist schon ihr ganzes Leben mit sich schleppen. Und auffällig ist schon, dass heute verstärkt Menschen ohne Ausbildung herkommen, da sie meistens auch keine Arbeit haben und von Hartz IV leben. Da ist es manchmal kaum möglich, keine Schulden zu machen.
Gibt es bei denen überhaupt noch etwas zu pfänden, wenn sie so hoch verschuldet sind?
Eher weniger. Die haben ja in der Regel nur das Allernotwendigste zum Leben. Hier in Neukölln sind oft auch Alkoholiker betroffen, die haben dann vielleicht ein Bett und in der Küche eine Spüle, wenn es hoch kommt noch einen Kühlschrank – das war es dann. Früher hatten die Leute häufiger auch noch wertvolle Möbel aus Holz, heute sind das oft sehr günstige Sachen – wenn jemand einen Schrank für 200 Euro kauft, lohnt es sich nicht, den zu pfänden, denn ich müsste ihn ja auch noch abbauen, abtransportieren und lagern lassen. Falls er dann für 30 Euro versteigert werden kann, sind die Kosten für den Aufwand vorher viel zu hoch.
Manche Gegenstände wie Radio oder Fernseher sind gesetzlich vor der Pfändung geschützt, weil sie für die Ausübung des Berufes oder eine »bescheidene Lebensführung« benötigt werden. Gibt es Ihrer Meinung nach ein Recht auf einen bestimmten Besitz?
Meine Ansicht dazu spielt bei der Arbeit eigentlich kaum eine Rolle: Wenn ein Gläubiger sagt, er will den Computer eines Schuldners gepfändet haben, muss ich das in der Regel durchsetzen.
Haben Sie jemals Hemmungen gehabt, mit Ihrer Arbeit in das Eigentum anderer Leute einzugreifen?
Wenn ich den Eindruck habe, dass es sich dabei nur um eine Schikane des Gläubigers handelt, versuche ich schon, zwischen Gläubiger und Schuldner zu vermitteln. Es gab zum Beispiel ein Mal den Fall einer Familie mit einem sehr alten Auto, das ich pfänden sollte. Der Vater war stark gehbehindert und die Mutter brauchte das Auto zum Einkaufen, sie war ziemlich auf sich allein gestellt. Da konnte ich dann beim Gläubiger erreichen, dass die Familie das Auto behalten darf.
Verfolgt Sie das Schicksal der Schuldner manchmal noch nach Feierabend?
Nein, dafür mache ich das jetzt einfach schon zu lange.
Sind Sie jemals von Schuldnern bedroht worden?
Körperlich ist das nur einmal passiert, da wurde ich von einem psychisch nicht ganz gesundem Mann mit einem Messer bedroht. Verbale Bedrohungen kommen öfter vor – es prallen ja auch ziemlich unterschiedliche Meinungen aufeinander. Wenn die Schuldner allerdings einmal erlebt haben, was alles möglich ist, und Zwangsmaßnahmen wie das Aufbrechen der Wohnung zur Pfändung am eigenen Leib miterlebt haben, sind sie in der Regel dann schon bereit, mitzuarbeiten.