„Afrikanischer Weltkrieg“ – das klingt erst mal widersprüchlich, allerdings trifft es die Katastrophe, die sich von 1998 bis 2003 in der Demokratischen Republik Kongo ereignete, ganz gut. So waren neben vielen Nachbarstaaten auch nichtafrikanische Länder beteiligt, und die Zahl der Opfer war mit geschätzten drei Millionen so hoch wie in kaum einem anderen Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg.
Bereits 1994 waren Hunderttausende nach dem Völkermord der Hutu an den Tutsi aus Ruanda geflüchtet (siehe auch S. 20), darunter auch viele Täter des Genozids, woraufhin die Auseinandersetzungen im Osten des Kongo weiter gingen. Dort verfolgten u. a. von der neuen Tutsi-Regierung in Ruanda unterstützte Gruppen Angehörige der Hutu. Der kongolesische Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila stürzte schließlich 1997 mit ruandischer Hilfe den ungeliebten Diktator Mobutu. Nach seiner Machtergreifung wandte sich Kabila von Ruanda ab und fand mit Simbabwe, Angola und Namibia neue „Verbündete“ im Kampf gegen oppositionelle Verbände, die wiederum von Uganda und Ruanda unterstützt wurden.
Wie in vielen Kriegen in Afrika sorgten die Rohstoffe des Landes mit dafür, dass der Konflikt eskalierte – weil die Kriegsparteien ihre Waffen mit den Erlösen aus dem Handel finanzierten. So kämpften die Rebellenarmeen im Ostkongo nicht nur um politische Macht, sondern auch um den Zugang zu den Diamanten- und Goldminen. Besondere Bedeutung hatte auch das Mischerz Coltan, aus dem Tantal gewonnen wird – unter anderem für Kondensatoren in Handys, Spielkonsolen und Laptops. Weil wertvolle Rohstoffe in Afrika oft nicht zum Reichtum eines Landes beitragen, sondern, im Gegenteil, zu Kriegen, Korruption und einer einseitigen Ausrichtung der Wirtschaft führen, spricht man auch vom Rohstofffluch und im Fall von Coltan von einem Konfliktmineral.
In der Geschichte der Demokratischen Republik Kongo spielten Rohstoffe schon früh eine verhängnisvolle Rolle. Ab 1885 war das Land quasi eine Privatkolonie des belgischen Königs Leopold II., der von dort erst Elfenbein, später vor allem Kautschuk exportierte. Die Gräueltaten in dieser Zeit – selbst Kindern wurden Hände abgehackt, wenn sie nicht genügend Kautschuk aus dem Urwald holten – inspirierten den Schriftsteller Joseph Conrad zu seinem Roman „Herz der Finsternis“.
1960 wurde der Kongo unabhängig, doch die Geschichte wiederholte sich: Von 1965 bis 1997 regierte der Diktator Mobuto, der das Land in Zaire umbenannte und sich selbst in Sese Seko Kuku Ngbendu wa za Banga, übersetzt in etwa: „der pfeffrige, siegreiche Krieger, der Hahn, der keine Henne in Ruhe lässt“. Trotz aller Menschenrechtsverletzungen unterstützten die USA und andere westliche Nationen Mobutu, damit er die Rohstoffe seines Landes nicht an die Sowjetunion lieferte. Der Kalte Krieg fand also auch in Afrika statt.
Mobutus Nachfolger Laurent Kabila wurde 2001 in der Hauptstadt Kinshasa erschossen, sein Sohn Joseph ohne demokratische Legitimation zum neuen Präsidenten ernannt – ein Amt, das er auch nach dem Friedensschluss 2003 weiter bekleidete. Wobei Frieden im Kongo ein relativer Begriff ist. In der im Osten des Landes gelegenen Provinz Nord-Kivu fand von 2006 bis 2009 ein weiterer Krieg statt, im Grunde schwelt der Konflikt bis heute. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Coltan in unseren Handys weiterhin dazu beiträgt, ihn am Leben zu erhalten.
Als die Coltan-Preise 2000/2001 anstiegen, kam es zu einer Art Coltankrieg, bei dem Militäroffensiven geografisch nahezu immer mit den jüngsten Coltanfunden übereinstimmten. In den vergangenen Jahren traten Firmen auf den Markt, die in ihren Handys weitestgehend auf Coltan aus Konfliktregionen verzichten
Bei der bpb gibt es ein sehr lesenswertes Buch, nach dessen Lektüre man nicht nur das Entstehen von Konflikten im Kongo sehr gut versteht. „Kongo“ von David Van Reybrouck (4,50 Euro). Bestellen kann man es unter www.bpb.de/shop