Billiger Kaffee war ein weltweites Erfolgsmodell. Ökologischer, sozial verträglich angebauter Kaffee war ein teurer Ladenhüter, der wegen seiner unprofessionellen Röstung eher dem guten Gewissen denn dem Geschmack diente. Diese Zeiten sind vorbei. Denn der Kaffeemarkt, nach Öl mit rund 70 Milliarden Dollar der zweitwich- tigste Rohstoff-Handelsmarkt der Welt, hatte ein Problen: Die Überproduktion von Kaffee hatte zu einem immer stärkeren Preis- und Qualitätsverfall, zu deutlich schlechteren Arbeitsbedin- gungen und zu einer immer rücksichtsloseren Land- wirtschaft geführt. Der ökologische Kaffee, obwohl inzwischen von besserer Qualität, litt noch unter dem schlechten Ruf. Um aus dieser Zwickmühle zu kommen, wurde das Projekt Common Code for the Coffee Community erfunden, kurz: 4C.
2003 taten sich der Deutsche Kaffee-Verband, der die Kaffeehersteller Deutschlands vertritt, und die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) zu- sammen, um ein Ziel zu erreichen: 4C sollte die Produktionsbedingungen und zugleich die Qualität des Kaffees verbessern. Und das nicht in kleinen Schritten für den Ökomarkt, sondern im großen Stil. Kurz: Kaffee musste gut und ökologisch werden, aber günstig bleiben. Ganz uneigennützig wird das Engagement des Kaffee-Verbandes nicht gewesen sein, immerhin ist Kaffee das beliebteste Getränk in Deutschland, rund 160 Liter trinkt jeder Deutsche im Durchschnitt pro Jahr.
Um die Masse des Marktes zu nutzen, entschied man sich für eine Troja-Strategie: Die ökologischen und sozialen Anforderungen werden zwar gestellt,aber nicht alsVer- kaufsargument genutzt. Das 4C-Logo darf nicht mal auf Verpackungen genutzt werden, nur Texthinweise auf die 4C-Mitgliedschaft sind erlaubt. So soll eine Grundlage geschaffen werden, auf der die großen Kaffeehändler Kinderarbeit und den Einsatz von Pestiziden ablehnen und sich eine kontinuierliche Verbesserung des Kaffees und der Arbeits- und Einkom- mensbedingungen von Bauern zum Ziel gesetzt haben, statt auf kurzfristige Vorteile als vermeintliche Öko-Anbieter zu setzen.
Dafür mussten vor allem die großen Kaffeeunternehmen gewonnen werden, die eigentlich auf dem Markt gegeneinander antraten. Weil sich aber auch Unternehmen wie Nestlé, Tchibo und Kraft Sorgen wegen der sinkenden Qualität des Kaffees machten, gelang es, sie für 4C zu gewinnen. Das war der entscheidende Schritt. Denn so war es möglich, wie Carsten Schmitz-Hoffmann von der GTZ erklärt, „Rahmenbedingungen zu schaffen, die man mit einem Einzelunternehmen so wahrscheinlich nicht ange- hen könnte“. Durch die Zusammenarbeit und damit Marktmacht der großen Abnehmer von Rohkaffee kann der Erfolg von Dumpingpreis-Bohnen aus umweltschädlicher, unsozialer Produktion tatsächlich eingedämmt werden. Weil es illusorisch gewesen wäre, die Standards von bisherigen Biolabels für den Massenmarkt einzuführen, entschied man sich bei 4C dafür, bei den Anbau- und Verarbeitungsanforderungen Kompromisse einzugehen. Trotzdem gehören zu den Vorschriften: eine bessere Unterbringung von Saisonarbeitern, ein Verbot der Kinderarbeit, umweltschonende Verwendung von Chemikalien, ein besserer Umgang mit Abwässern und der Schutz des Regenwaldes.
Keine Kompromisse wurden dagegen beim Markt- ziel gemacht: Schon bald sollen 100 Prozent des von den 4C-Partnern verkauften Kaffees den Standards entsprechen. Schätzungen zufolge werden schon bald 80 Prozent des Kaffeemarktes von Kaffee abgedeckt,der nach den 4C-Kriterien hergestellt wird. Der Verkauf dieses Kaffees funktioniert über Preis und Qualität, nicht über das Gewis- sen. Gleichzeitig wird mithilfe der Mindeststandards, die 4C setzt, für die Kaffeeproduzenten bereits ein ökologischer und sozialer Fortschritt erreicht. Und aus dem Nischenprodukt ökologisch angebauter Kaffee wird, mit Abstrichen, der Marktführer. Ohne dass man es merkt – in der Espressobar, beim Einkaufen oder am Uni- Kaffeeautomaten.
Etikettenschwindel
Fair gehandelter Kaffee war ein Nischenprodukt. Heimlich soll er marktbeherrschend werden.
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