Der Regenfilter
„Schuld ist der Regen. Der ist in Deutschland eigentlich sauber, aber er wäscht Schadstoffe von Straßen und Autos, die so in die Kanalisation gelangen oder, wo es keine Kanalisa-tion gibt, ins Grundwasser sickern oder in Gewässer fließen können. Die Schadstoffe werden vom Straßenverkehr verursacht, zum Beispiel durch den Reifenabrieb auf der Straße oder den Verschleiß der Bremsbeläge. Jedes Jahr sind das mehr als 2000 Tonnen Zink, fast 1000 Tonnen Kupfer und 80 Tonnen Blei. Selbst wenn das Regenwasser mit den Schadstoffen durch eine Kläranlage läuft, hilft das nicht, denn Schwermetalle sind nicht abbaubar und nur ein geringer Teil bleibt im Klärschlamm zurück.
Um das mit Schadstoffen belastete Regenwasser reinigen zu können, habe ich ein mehrstufiges Reinigungssystem entwickelt. Mit diesem System trenne ich zuerst die sogenannten Grobstoffe – also Äste, Blätter oder Zigarettenkippen – vom Wasser, so dass sie von der Straßenreinigung entsorgt werden können. In einem unterirdischen Filterschacht kann ich danach verschiedene Schadstoffe aus dem Wasser entfernen. Manche Schadstoffe kann ich so vollständig aus dem Wasser holen, bei anderen gelingt es mir nur zu 90 Prozent. Das von meinem System so gereinigte Wasser kann dann gefahrlos einfach versickern, ohne in die Kanalisation zu gelangen. Auf diese Weise trägt es dazu bei, das Grundwasser zu erneuern, aus dem wir zu 98 Prozent unser Trinkwasser beziehen.
Ein Prototyp meines Systems ist am Mittleren Ring in München eingebaut. Diese Stelle wird jeden Tag von 57 000 Fahrzeugen befahren. Bisher wird das Regenwasser mit seinen belastenden Inhalten kaum oder gar nicht gefiltert. Dabei muss man daran denken, dass Wasser sich immer in einem Kreislauf bewegt. Was in die Kanalisation kommt, gelangt zum Beispiel in einen Fluss, verdunstet, regnet dann wieder ab und so weiter. Dadurch könnten auch die Schadstoffe, wenn wir sie nicht aus dem Wasser filtern, in einen ewigen Kreislauf eintreten.
Das ist sowohl für Menschen als auch für Tiere schädlich. Zum Beispiel ist Kupfer giftig für Fische. Andere Stoffe sind für den Menschen krebserregend. Deshalb müssen Grenzwerte eingehalten werden. In einem Liter Wasser dürfen beispielsweise nicht mehr als 50 Mikrogramm Kupfer sein. In Autobahnnähe wurde aber schon deutlich mehr als das Zehnfache gemessen. Für mein System interessieren sich vor allem Gemeinden, weil sie Geld sparen können, wenn weniger Wasser in die Kanalisation kommt und damit auch weniger Geld in das Kanalsystem investiert werden muss. Ich habe an der Entwicklung dieses Systems vier Jahre gearbeitet – es ist meine Doktorarbeit.“
Rita Hilliges, 29, ist Ingenieurin am Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft der TU München. + www.wga.bv.tum.de
Die Wasserwäscher
Herr Braun, was ist das Neue an Ihrer Abwassersystem-Erfindung?
Wir recyceln das Toiletten- und das Trinkwasser eines Hauses in zwei separaten Kreisläufen. Spülwasser, sogenanntes Schwarzwasser, wird nur in der Toilette wiederverwendet. Das Grauwasser aus dem Hahn, der Dusche und der Waschmaschine kann nach einer Grundwasserpassage wieder als Trinkwasser aufbereitet werden.
Bisher wird beides vermischt?
Ja. In jedem zweiten deutschen Haushalt kommt aus dem Wasserhahn verdünntes Spülwasser. In Düsseldorf zum Beispiel ist von jedem Liter Trinkwasser ein Schnapsglas voll vorher durch die Toilette gelaufen.
Welche Folgen hat das?
Wir pumpen Grundwasser ab und leiten es danach über die Haushalte, Kläranlagen und Kanäle in die Flüsse, wo es in den Meeren verschwindet und ungenießbares Salzwasser wird. Das zweite Problem ist qualitativ. Im Toilettenabwasser schwimmt der extrem schwer abbaubare Hormon- und Medikamentencocktail, den wir zu uns nehmen. Er passiert die Kläranlagen unverändert, gelangt in Oberflächengewässer und so in das Trinkwasser. Auch Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen können diese Stoffe nicht abbauen.
Was bedeutet das für die Menschen?
Es scheint einen Zusammenhang zu geben. Seit Einführung der Pille ist die Fruchtbarkeit deutscher Männer um 80 Prozent gesunken. Ich glaube nicht, dass das Zufall ist. Hormone wirken schon in einer Dosierung von einem billionstel Gramm pro Liter Wasser.
Wie funktioniert Ihr Abwassersystem?
Unsere Anlage ist etwa so groß wie eine Ölheizung. In Hotels oder Krankenhäusern, deren Abwässer besonders problematisch sind, kann man das im Keller unterbringen. Recycling-Nebenprodukte sind schwarzer Humus, ein Mineraldünger, und in größeren
Anlagen werden wir Biogas produzieren.
Kann ich Ihre Anlage in die Wohnung stellen?
Die kritische Grenze liegt bisher bei 500 Einwohnern, da müssen wir noch forschen. Aber ich glaube, dass es die Wasserwaschmaschine auch für einzelne Familien geben wird. Für Megastädte sehe ich kaum andere Chancen, als sich über dezentral-autarke Einheiten mit Wasser zu ver- und entsorgen.
Sie wollen häusliches Abwasser abschaffen?
Das hängt vom Standort ab. In dicht bebauten Städten, wo einzelne Häuser keinen Bewässerungsbedarf haben, kann die Einsparung bei mehr als 90 Prozent liegen.
Ulrich Braun ist Mikrobiologe an der TU Harburg und Inhaber des Start-ups Intaqua. +www.intaqua.com
Würfelglück
„Mein Geschäftspartner und Freund Robert Niederer ist zur See gefahren und kannte die Geräte zur Entsalzung von Meerwasser auf Schiffen. Er wollte etwas Ähnliches als kleine, bewegliche Einheit. Heraus kam der Mobile Cube: einen Kubikmeter groß, rund 800 Kilogramm schwer. Strom generiert er über ausklappbare Solarsegel und ein Windrad. Hält man den angeschlossenen Schlauch in verschmutztes Wasser, saugt eine Pumpe Wasser an, das durch spezielle Filter zu Trinkwasser aufbereitet wird. Pro Tag kann man so 4000 Liter Meerwasser entsalzen und 20 000 Liter Abwasser reinigen – ideal für nicht erschlossene Regionen oder Schwellenländer. Man könnte ihn auch in Katastrophengebieten einsetzen. Die Resonanz ist durchweg positiv. Die Regierungen Kenias und der Elfenbeinküste haben uns sogar Empfehlungsschreiben ausgestellt. Nur Geld wollte bisher keiner investieren. Ein Mobile Cube kostet zwischen 30 000 und 50 000 Euro. Um ihn zu vermarkten und weitere Umwelt- und Energietechniken zu entwickeln, haben wir die Ardeo AG gegründet. Leider fehlt uns das Geld. Wir haben bereits einige hunderttausend Euro in die Erfindung gesteckt, allein die weltweit angemeldeten Patente kosten 60 000 Euro pro Jahr. Bisher stammte das Geld aus unserem Privatvermögen oder von Verwandten und Freunden. Jetzt brauchen wir jemanden, der sagt: Ich glaube daran, ich stecke da Geld rein. Wir wissen, dass sich die Technik vermarkten lässt. Vor ein paar Jahren hat Robert die Erfindung einer anderen Firma vorgestellt. Die war nicht interessiert, sagte sie – und baut seitdem den Cube mit leichten Änderungen und verkauft ihn erfolgreich.“
Roger Longhi ist Geschäftsführer der Ardeo AG. + www.mobilecube.ch
Wasser aus Luft
Die Idee kam Mario Fallast in Helsinki. Dort erlebte der 28-Jährige während seines Auslandsstudiums, was entstehen kann, wenn Studenten verschiedener Fachbereiche gemeinsam an einem Projekt arbeiten und ein Partner aus der Wirtschaft sie unterstützt. Das gefiel ihm. Zurück an seiner Uni in Graz schrieb er ein Konzept, schickte es an Philips – und bekam gleich eine Zusage. Viele Bedingungen stellte das Unternehmen nicht. Ein funktionierendes Gerät zur Wassergewinnung sollte es sein, robust, für den Einsatz in Wüsten gebaut, weitgehend wartungsfrei, und unabhängig von einer Stromquelle musste es auch laufen. Der Rest war dem Team überlassen. Also machten sie sich an die Arbeit: elf Studenten aus Graz und Helsinki, die Architektur, Maschinenbau oder Telematik studieren, eine Mischform aus Telekommunikation und Informatik. Fallast, der Wirtschaftsingenieur, und Gabriele Schmied, die 23-jährige Betriebswirtin, koordinierten die Arbeit und verwalteten das Budget. 10 000 Euro hatte der Sponsor zur Verfügung gestellt. „Für Konzerne wie Philips ist das eine relativ kleine Summe, mit der sie beispielsweise eine Praktikantenstelle einen Sommer lang finanzieren können. Oder eben die Material- und Reise-kosten und die Arbeit eines Teams von elf Studenten über acht Monate“, sagt Fallast. Sie forschten und recherchierten und dokumentierten ihre Ergebnisse in einem eigens eingerichteten Projekt-Wikipedia im Internet. Den Prototyp ihrer neuen Technologie präsentierten sie Anfang Mai. Es ist ein von Solarzellen angetriebenes Gerät, das Wasser aus der Luft gewinnt. Das Prinzip: Ein Ventilator saugt warme, feuchte Luft an und führt sie an Kühlrippen vorbei, die das Wasser herauskondensieren. Ein Behälter auf der Unterseite fängt es anschließend auf. „Je heißer und schwüler es ist, desto mehr Wasser kann das Gerät produzieren“, sagt Gabriele Schmied. „Aber schon bei 30 Grad Celsius und 30 Prozent Luftfeuchtigkeit kommt man auf etwa einen halben Liter pro Stunde.“ Für ein, zwei Familien reiche das aus, und bei Katastrophen ließe es sich auch einsetzen. Trotzdem ist noch unklar, was mit der Erfindung passiert. Der Sponsor, der die Rechte besitzt, hat noch nicht entschieden, ob die Arbeit daran fortgesetzt wird. www.tugraz.at
Filtern beim Trinken
Etwas gewöhnungsbedürftig ist der „LifeStraw“, man muss ein paar Mal kräftig ziehen, ehe Flüssigkeit durch den Strohhalm fließt. Dann aber hat das Filter- und Kammersystem des 25 Zentimeter langen Strohhalms Erreger, Bakterien und Viren entfernt – und aus brackigem Abwasser sauberes Trinkwasser gemacht. Desinfizierendes Harz tötet dabei Bakterien ab, Aktivkohle hilft gegen Parasiten. Ein Halm kann etwa 700 Liter Wasser reinigen. Nur gegen Arsen, Eisen und andere Schwermetalle ist der „LifeStraw“, machtlos. Wenn es nach der dänischen Vestergaard Frandsen Group geht, werden bald schon Menschen, die nur Zugang zu verunreinigtem Wasser haben, ihren Halm nutzen. 250 000 „LifeStraws“, hat der Hersteller bereits ausgeliefert. „Hilfsorganisationen und kirchliche Institutionen setzen ihn in Pakistan, Indien und Kenia ein“, sagt Business Director Allan Mortensen. Derzeit lässt Mortensen den Strohhalm im Sudan und in einem äthiopischen Dorf testen. An 700 Haushalte haben die Helfer jeweils vier Strohhalme verteilt, in ein paar Monaten werden sie wissen, ob die Krankheits- und Sterblichkeitssrate zurückgeht. Der „LifeStraw“, schützt beispielsweise vor Typhus, Cholera und Ruhr. Und sie werden erfahren, wie gut die Bewohner mit der ungewohnten Trinkröhre zurechtkommen. „Für die Menschen dort ist es ein ganz neues Konzept, wir wissen noch nicht, ob sie es annehmen“, sagt Mortensen. Zwar seien die bisherigen Reaktionen positiv. Aber er rechnet damit, dass Aufklärungsarbeit nötig sein wird. „Das ist wie bei der Einführung des Kondoms. Bis heute muss man Menschen beibringen, warum und wie sie es benutzen sollten.“ Ein anderes Problem ist der Preis. Drei Dollar kostet der „LifeStraw“, pro Stück, er hält etwa ein Jahr lang. Das klingt günstig. Tatsächlich aber können sich viele Bedürftige den Strohhalm nicht leisten. Sie sind auf die Unterstützung von Sponsoren angewiesen. Diese versucht Allan Mortensen zu gewinnen. „Wir wollen Regierungen, Nicht-Regierungs-Organisationen und andere Institutionen von unserem Produkt überzeugen – das gelingt nur, wenn wir ihnen fundiertes Datenmaterial liefern.“ Seit zwölf Jahren laufen die Labor- und Praxistests. Das ist mühsam. Einfacher wäre es, den Strohhalm in Outdoor-Shops zu platzieren. Abenteurer, die ihn im Urlaub einsetzen, gäbe es sicher. Dieser Markt interessiere ihn aber nicht, sagt Mortensen. „Wir konzentrieren uns auf die Ärmsten der Armen.“