Wenn es um das Verhältnis der Geschlechter geht, wird das Einfache schwierig. Dabei hat doch die Natur eine klare Ordnung vorgegeben – es gibt Mann und Frau. Auf deren biologischen Unterschieden baut die Ordnung der Gesellschaft auf, weist beiden Geschlechtern ihre Rollen zu und sichert so den Zusammenhalt des Ganzen. Diese einfache Erzählung ist immer noch machtvoll.

Ihre Wirkung entfaltet sich von Kindheit an und durchzieht alle Sphären des gesellschaftlichen Lebens bis in unser Denken und Fühlen.

Unser Alltag ist geprägt von Geschlechterrollen in Mode und Werbung, im Beruf oder auch in der hingenommenen unbezahlten Arbeit bei der Pflege und Erziehung von Angehörigen. Es zeigt sich: Die vermeintlich natürliche Ordnung der Geschlechter ist oft von Menschen gemacht und mit Macht verbunden. Denn was aus den bestehenden biologischen Unterschieden folgen soll, ergibt sich nicht von selbst. Dazu sind die historischen und aktuellen Gesellschaftsentwürfe auch in dieser Beziehung zu verschieden. Über Jahrhunderte hinweg wurde Geschlecht benutzt, um Frauen in ihren Rechten einzuschränken. Zudem wurde Geschlecht immer wieder heteronormativ gedacht: Homosexuelle und Transgender waren von der Gesellschaft ignoriert oder ausgeschlossen. Neben den Resten matriarchaler Gesellschaften und den in den westlichen Demokratien heute gültigen liberalen Formen der Gleichberechtigung gibt es nach wie vor hart patriarchalische Gesellschaften, wie die in Saudi-Arabien.

Wie gleichberechtigt sind wir und wollen wir sein? Es gehört Mut dazu, sich hier zu positionieren, aber es lohnt sich. Soziale Bewegungen und auch der Feminismus haben viel geleistet, Kämpfe gefochten und Veränderungen bewirkt. Inzwischen ist in Deutschland die Gleichberechtigung Verfassungsgut, weltweit ist sie in zahlreichen nationalen und internationalen Gesetzen festgeschrieben.

Geschlechtergerechtigkeit ist kein Selbstläufer. Die Gewinner der überkommenen patriarchalischen Ordnungen, vor allem die Netzwerke der mächtigen alten Männer, verzichten nicht freiwillig auf ihre Privilegien. In vielen Unternehmen, aber auch im akademischen Betrieb, herrscht immer noch das ungute Phänomen der gläsernen Decke, durch die es Frauen schwer haben, sich im Kampf um Spitzenpositionen durchzusetzen.

Wir leben in einer Übergangszeit. Neue Sprachmuster müssen probiert werden, neue Kulturen des beruflichen und privaten Alltags bilden sich von Debatten begleitet heraus. Es gibt in vielem bereits ein unaufgeregtes, alltägliches Experimentieren. Wo es gelingt, zeigt sich, wie attraktiv die gelebte Vielfalt und Gleichberechtigung liberaler Gesellschaften sein können. Dass es Spaß macht, gelassen miteinander die Unterschiede auszuhalten oder auszuleben. Freiheit ist immer auch die Freiheit der Anderen, auch der anderen Geschlechter.