Mich trieb die Jobflaute eines kalten Wintertages zu einem Filmverleih. Der hatte da einen tollen ausländischen Film, der witzig, klug und spannend ist, also wirklich absolut sehenswert, aber schon für ein eher spezielles Publikum, wie mir der Chef gestenreich erklärte. Leider hatte der Filmverleih keinen Cent, um den Film auch angemessen seiner Zielgruppe nahezubringen. An dieser Stelle komme ich ins Spiel: Für etwas Taschengeld soll ich mich in Kinoforen im Internet tummeln und den Film dort irgendwie loben. Undercover natürlich, Guerilla-Marketing quasi.

Da die Aktion ja auf überhaupt gar keinen Fall auffliegen darf, benutze ich einen Web-Proxy, um meine IP-Adresse zu verwischen, logge mich in diverse Foren ein und mogle bei allen Angaben, dass sich die Tasten krümmen. Mein Pseudonym: Karl-Heinz Fischer – ein Helden-Mix aus dem Panini-Album zur WM 1982. Karl-Heinz Fischer also hat jenen Film, den der Verleih demnächst in die Kinos bringen wird, neulich im Urlaub gesehen, wie er im Forum kundtut. Er schreibt, dass er ihn total super fand, dass es um dieses und jenes geht und Blabla auch mitspielt. Filmfreunde, findet er, sollten das auf keinen Fall verpassen. Und was passiert? Nichts. Keinen interessiert mein Tipp, niemand antwortet mir. Das ist durchaus ungewöhnlich, denn eigentlich gibt hier immer jeder überall seinen Senf dazu. Und wenn irgendwer irgendeinen Film vor dem regulären Starttermin gesehen hat, dann erst recht.

An meinem zweiten Arbeitstag ändere ich meine Strategie: Ich stelle Fragen. Ab ins nächste Filmforum: Film XY ist wirklich total klasse, schreibt Karl-Heinz Fischer dort, er habe ihn schon im Urlaub gesehen und frage sich, ob er wohl auch in Deutschland bald anläuft. Weiß das vielleicht jemand? Anscheinend nicht. Oder die Frage ist zu platt. Jedenfalls kommt wieder keine Reaktion. Etwas genervt beschließe ich, mir einfach selbst zu antworten. Neues Pseudonym, diesmal ein Fernsehkommissar. Stefan Derrick schreibt Karl-Heinz Fischer, dass der Film dann und dann starte, dass er auch nur Gutes gehört habe und sich schon freue, weil er alles von Regisseur Soundso gesehen habe. Von dem Gratis-Buzz, den sich mein Chef erträumt, bin ich also auch am dritten Arbeitstag noch weit entfernt. Zwar wächst inzwischen ein zarter Thread über Film XY, doch leider nur im Schneckentempo. Hinzu kommt, dass jeder einzelne Beitrag von mir selbst stammt. Mittlerweile habe ich mich nämlich in ein multiples Wesen verwandelt. Sven Hell lobt den Soundtrack, Buster Chaplin Situationskomik und Slapstick-Elemente, und der Sensenmann weiß den makabren Humor zu schätzen. Ich diskutiere also ausschließlich mit mir selbst, und – als ob das nicht schon bizarr genug wäre – wirklich niemand bekommt es mit.

Tag vier, Selbstzweifel: Vielleicht hört mir ja keiner zu, weil ich nichts zu sagen habe. Zu Kinoforen muss man wissen, dass sie fein stratifizierte soziale Gebilde sind. Alle Mitglieder sind mit einem Rang dekoriert, der sich an der Anzahl der geposteten Beiträge bemisst. Ich laufe unter „Neuling“ im Forum-Ranking, und nach wie vor steigt niemand in die Diskussion ein, die ich eigentlich führen soll. Irgendwie sind die Kids nicht so spitz auf den Film. Vielleicht ist es ihnen aber auch schlicht zu blöd, meinen hirnrissigen Fährten zu folgen. Was ich gut verstehen kann. Als der Film schließlich ins Kino kommt, läuft er am ersten Wochenende eher mittelmäßig an, steigert sich aber in den folgenden Wochen um ein gutes Stück. Der Filmverleih ist recht zufrieden mit dem Einspielergebnis. Dass aber auch nur eine einzige Karte durch mein Guerilla-Marketing im Kinoforum verkauft wurde, bezweifle ich stark.