Den Ursprung des Geldes würde man etwa hier vermuten: in der Oranienstraße 91 in Berlin, bei der Bundesdruckerei. Streng nach Vorgabe der Zentralbank verwandelt sie wertloses Papier in wertvolle Scheine. Aber es ist nur ein sehr kleiner Teil des Geldes, der so entsteht. In der Eurozone sind Banknoten und Münzen im Wert von 792 Milliarden Euro im Umlauf – die Menge unsichtbaren Geldes ist jedoch etwa fünfmal so groß. Es ist das Geld auf Konten und Kreditkarten, das man nicht anfassen und mit dem man trotzdem bezahlen kann. Weil es nur in den Büchern existiert, heißt es Buchgeld. Und jede Bank kann es nach Belieben selbst herstellen. Begrenzt wird sie nur indirekt, durch die sogenannte Mindestreserve. Das ist die Pflichteinlage auf dem Girokonto einer jeden Bank bei der staatlichen Zentralbank, mit der die Geschäfte abgesichert werden. Die Banken dürfen aber neues Geld weit über das Maß dessen hinaus in Umlauf bringen, was sie auf ihrem Zentralbankkonto haben, im Euroraum um das Fünfzigfache. Im Klartext: Die Bank muss nicht erst Geld von der Zentralbank auf ihr Reservekonto gebucht bekommen haben, um ihrerseits Kunden neues Geld aufs Konto zu buchen. Kritiker finden das heikel: „Die Geldschöpfung durch die Banken ist gefährlich, weil sie zum Beispiel zu Spekulationsblasen führen kann“, meint Joseph Huber, Professor für Wirtschafts- und Umweltsoziologie an der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Neues Geld aus dem Nichts? Das klingt wie Magie oder Alchemie, und tatsächlich verbirgt sich dahinter ein ziemlich kompliziertes Bilanzierungswerk. Es funktioniert in etwa so: Ein Kunde möchte einen Kredit haben, zum Beispiel 1000 Euro, um ein neues Auto zu kaufen. Die Bank schreibt ihm das Geld auf seinem Konto gut. Finanziert hat sie diese Gutschrift in ihrer Bilanz vor allem mit den 1000 Euro, die derselbe Kunde ihr damit schuldet, nur ein geringer Teil ist mit Eigenkapital unterlegt. Ein rechnerischer Zirkelschluss, der funktioniert, so lange der Kunde das neu geschaffene Geld auf seinem Konto lässt. Erst wenn er es zum Autohändler bringt, muss sich die Bank darum kümmern, den vergebenen Kredit zum Beispiel durch neue Spareinlagen zu finanzieren oder durch neues Geld von der Zentralbank – so wie man es sich eigentlich vorstellt. Klappt das irgendwann nicht mehr, droht die Pleite.

Die Banken wären nur noch Geldvermittler, keine Geldschöpfer mehr

Ein hohes Risiko, findet Huber. „Die Geldmenge, die die Banken neu geschöpft haben, ist in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel stärker gewachsen als die Wirtschaft.“ Ein Großteil der Kredite sei also offenbar gar nicht in Unternehmen oder neue Produkte geflossen, die den Wohlstand mehren. Sondern in Spekulationen, in Aktien und Wertpapiere, deren Kurs nur deswegen stieg, weil sie mit immer neu geschöpftem Geld nachgefragt wurden. Wenn so eine Blase platzt, müssen die Sparer mit ihren Einlagen für die Ausfälle geradestehen – wenn nicht der Staat die Bank mit Steuergeldern rettet. „Der Staat muss die volle Kontrolle über die Geldmenge zurückbekommen“, fordert Huber daher. Die Zentralbank will er zur „Monetative“ ausbauen, zu einer vierten Macht im Staat, neben Legislative, Exekutive und Judikative. Die Banken müssten sich das Geld für Kredite, die sie ausgeben wollen, dann vorher bei ihren Sparern oder bei der Zentralbank besorgen, nicht erst hinterher. „Die Banken wären dann keine Geldschöpfer, sondern nur noch Geldvermittler“, sagt Huber. „So, wie man es sich eigentlich vorstellt.“

Huber vertritt eine Minderheitenmeinung, viele Ökonomen halten die Geldschöpfung der Banken grundsätzlich für richtig, weil so flexibler auf den Kreditbedarf der Unternehmen reagiert werden kann. Andererseits war schon einem Vordenker der Wirtschaftswissenschaften, dem US-Ökonomen Irving Fisher, die unkontrollierte Geldproduktion der Banken suspekt, in den 1930er Jahren versuchte er die Ökonomen-Zunft mit ähnlichen Ideen zu begeistern. Auch Hans Christoph Binswanger, Wachstumskritiker und Doktorvater von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, äußert Sympathie für einen Stopp der Bankengeldschöpfung. Huber und seine Mitstreiter können sich sogar auf die Geschichte berufen – denn schon einmal pochte der Staat darauf, dass niemand anderes Geld herstellt: Das Papiergeld wurde zunächst von privaten Geldhäusern geschaffen, als Gutschein für Münzen, ehe es die Regierung durch eigene Banknoten ersetzte.

www.monetative.de