Laufen lassen!
Wassersparen ist lobenswert, aber nicht immer sinnvoll, meint Christoph Koch


Lass beim Zähneputzen nicht das Wasser laufen! Benutz die Stopptaste an der Klospülung! Von klein auf wurde uns eingetrichtert, Wasser zu sparen, wo und wann immer es geht. Vom „blauen Gold“ sprechen Umweltaktivisten, das zur Neige geht – und eingeschüchtert von rissigem Afrikaboden nicken wir geknickt und haben bei jedem Vollbad ein schlechtes Gewissen. Aber macht Wasser zu sparen in Deutschland tatsächlich Sinn? Nein – es führt sogar zu zahlreichen Problemen.

Um rund 20 Prozent ist der Wasserverbrauch in den letzten zehn Jahren zurückgegangen, sagt der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). Das hat – neben Einsparungen in der Industrie – vor allem drei Gründe: ein gewandeltes Öko-Bewusstsein der Bevölkerung; modernere Wasch- oder Spülmaschinen mit niedrigerem Verbrauch; der demografische Wandel. Letzterer hat dazu geführt, dass in manchen Gegenden der neuen Bundesländer bis zu 50 Prozent weniger Wasser verbraucht werden als noch vor zehn Jahren – weil weniger Menschen dort leben.

Dies führt zu massiven Problemen im Leitungsnetz, das großteils in den Siebzigern und Achtzigern konzipiert wurde, als man von steigendem Verbrauch ausging: Leitungen, in denen das Wasser zu lange steht, korrodieren; je länger das Wasser unterwegs ist, desto höher die Zahl der enthaltenen Keime. Im Abwasserbereich führt eine geringe Fließgeschwindigkeit zur Geruchsbelästigung bis hin zur Bildung von giftigen und explosiven Gasen; durch entstehende Schwefelsäure werden sowohl Abwasserleitungen als auch Pump- und Klärwerke starker Korrosion ausgesetzt.

Um die Wasserqualität und das Leitungsnetz zu erhalten, müssen die Versorger eingreifen: In Kiel beispielsweise werden jährlich zwei Millionen Kubikmeter Frischwasser durch die Leitungen gepumpt. Um Verkeimung zu stoppen, setzt die Stadt Rostock jährlich Chemikalien im Wert von 115 000 Euro ein. Und in Hannover wurden Gullydeckel mit Gummimatten abgedichtet, um den Gestank zu stoppen, der aufsteigt, weil in der Kanalisa-tion Stillstand herrscht.

Eine Lösung für die Probleme könnte der Rückbau auf einen verringerten Rohrdurchmesser sein. „Innerhalb der nächsten Jahre müssen die Leitungen angepasst werden. Ein intelligentes System zu entwickeln, das dem generell rückläufigen Verbrauch ebenso gerecht wird wie den punktuellen Verbrauchsspitzen, das ist die Aufgabe der Stadtplanung“, sagt Michael Bender, Leiter der Bundeskontaktstelle Wasser der Grünen Liga e.V. Doch das ist teuer: Die Stadt Magdeburg hat ausgerechnet, dass allein der Rückbau der Abwasserleitungen 40 bis 50 Millionen Euro kosten würde.

Ist Wasser zu sparen also sinnlos? Kommt darauf an: Wer Warmwasser verschwendet, verschwendet immer auch Energie – was viel schlimmer ist, in Deutschland aber ausgiebig getan wird. Im Kaltwasserbereich hingegen sind sich inzwischen fast alle Experten einig, dass ein verbissenes Sparen unnötig ist. Hans-Jürgen Leist von der Forschungsstelle Recht, Ökonomie und Umwelt der Uni Hannover forscht schon lange zu diesem Thema und hat erkannt, dass der Rohstoff Wasser stark emotional besetzt ist. „Auf unserem Institutsflur gibt es eine Teeküche. Ich habe an einem hellen Sommertag das Licht angeschaltet und den Wasserhahn tröpfeln lassen. Jeder Student, der vorbeikam, drehte den Wasserhahn zu – das Licht löschte keiner.“

Hahn zu!
Wassersparen ist lobenswert und gar nicht so schwer, findet Andreas Braun


1. Jeden Tag spülen wir 34 Liter die Toilette runter. Wasserexperte Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt in Dessau rät: „Bis zu 50 Prozent des Spülwassers lassen sich einsparen, wenn der Spülkasten mit einer Stoppvorrichtung ausgerüstet wird, die den Spülvorgang bei Bedarf unterbricht.“ Nachrüstsätze gibt es schon für sechs Euro in jedem Baumarkt.
2. Zum Baden, Duschen und für die Körperpflege brauchen wir 48 Liter. Einmal Baden verbraucht 150 bis 200 Liter Wasser, einmal Duschen dagegen nur 30 bis 80 Liter. Das spart zudem viel Geld: „Weniger Warmwasserverbrauch bedeutet auch weniger Stromverbrauch, was wiederum einen Beitrag zum Klimaschutz darstellt“, so Rechenberg.
3. Bei einem sogenannten Sparduschkopf wird dem Wasserstrahl Luft beigemischt, so können 40 Prozent eingespart werden. Der Sparduschkopf verbraucht acht bis zehn Liter pro Minute, herkömmliche Duschköpfe bis zu 25. Sparduschköpfe kosten zwischen 15 und 35 Euro.
4. Der Klassiker: Beim Zähneputzen oder Rasieren nicht das Wasser laufen lassen, ein Zahnputzbecher oder ein halb gefülltes Waschbecken tun es auch. Ebenso simpel wie effektiv: Während des Einseifens beim Duschen den Wasserhahn abdrehen. 
5. Fürs Wäschewaschen verbraucht jeder Deutsche im Schnitt 15 Liter. Rechenberg rät: „Die Waschmaschine sollte nur mit gut gefüllter Trommel gestartet werden. Das spart Wasser, Strom und letztlich Geld.“ Zudem ist es wichtig, das Waschmittel richtig zu dosieren, damit dem Wasserkreislauf nicht zu viel Chemie zugeführt wird. Beim Kauf einer Maschine auf Strom- und Wasserverbrauch achten.
6. Wer mit einem Griff die richtige Wassertemperatur einstellen kann, spart Zeit und damit Wasser – mit dem sogenannten Einhebelmischer geht das stufenlos und schnell. „Die gewünschte Wassertemperatur lässt sich schneller einstellen, so dass 15 bis 30 Prozent weniger Wasser und Strom verbraucht werden“, sagt Jörg Rechenberg. Einhebelmischer gibt es ab 30 Euro.
7. Moderne Spülmaschinen verbrauchen immer weniger Wasser und sind daher nicht nur bequemer, sondern auch ökologisch sinnvoller. Für die Verfechter des Aufwaschlappens gilt: Geschirr nicht unter fließendem Wasser reinigen. 
8. Ein permanent tropfender Wasserhahn kann mehrere Liter Wasser am Tag kosten. Das Tropfen wird meist durch eine defekte Dichtung oder durch Verkalkung des Ventils verursacht. Die Kosten für eine möglichst schnelle Reparatur sind im Vergleich zu den Wasserkosten gering.
9. Das Autowaschen per Hand ist in vielen Kommunen verboten, aus gutem Grund: Die Autowäsche in der Waschanlage spült nicht nur weniger Schadstoffe in die Gewässer, sie spart gegenüber einer Reinigung mit dem Gartenschlauch bis zu 150 Liter.
10. Ganz wichtig: Für eine gute Öko-Bilanz reicht ein sparsamer Umgang mit der Ressource Wasser allein nicht aus. „Das benutzte Wasser ist ja nicht verloren, sondern fließt in den Wasserkreislauf zurück und wird wieder verwendet“, sagt Jörg Rechenberg. Aus diesem Grund ist es nur sinnvoll, Wasser zu sparen, wenn es gleichzeitig möglichst wenig verschmutzt und verunreinigt wird. Küchenabfälle, Arzneimittel und Zigarettenstummel gehören keinesfalls in die Toilette, Wasch- und Geschirrspülmittel, Duschbad und Shampoo sollten also möglichst sparsam verwendet werden.