Toni wird Zimmerin
Meine Abizeit war stressig, und die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, hat sich irgendwann zu eng angefühlt. Als ich mit der Schule fertig war, wollte ich so schnell wie möglich raus. Ich bin für ein halbes Jahr nach Südfrankreich gezogen und habe dort auf Bauernhöfen mitgeholfen. Schafe gehütet, Joghurt gemacht und auf dem Markt verkauft.
Als ich zurückkam, dachte ich, dass ich vielleicht Bühnenbildnerin werden möchte. Ich habe mich beworben, bin aber nicht genommen worden. Also habe ich angefangen, Theaterwissenschaften und französische Philologie zu studieren. Ein Semester lang, von Oktober bis März. Ich habe aber schnell gemerkt, dass das nicht zu mir passt. Da gab es niemanden, der so gedacht hat wie ich.
Ich wohne mit sechs anderen Leuten in einer WG. Einer meiner Mitbewohner ist Tischler, der andere Zimmermann. Und irgendwann dachte ich mir: Das würde besser zu dir passen. Was mit den Händen machen, draußen sein, nicht immer nur über Texten sitzen.
Im September habe ich dann meine Ausbildung zum Zimmermann angefangen oder besser: zur Zimmerin. Wir lernen Sägen. Mechanik und Statik. Technisches Zeichnen. Welche Holzarten es gibt. Wie man Balken miteinander verbindet und Dächer baut. In einem halben Jahr dürfen wir auf der Baustelle arbeiten.
Wir sind 26 Leute in der Ausbildung, und ich bin die einzige Frau. Damit habe ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet. Die Jungs und die Meister gehen zum Glück entspannt mit mir um. Nur die Maurer pfeifen mir manchmal hinterher.
Als wir auf Kennenlernfahrt waren, habe ich mit drei Jungs im Zimmer gewohnt. Ich wollte nicht, dass wir getrennt untergebracht werden. Anfangs hatte ich die Sorge, dass es nervig werden würde, wenn die nur so Jungsgespräche führen. Aber es war schön. Mit uns war noch eine andere Gruppe da: lauter angehende Erzieherinnen mit einem Erzieher. Wir haben Lagerfeuer gemacht, und die haben uns ihre Häppchen angeboten.
Ich bin klein und schlank, aber ich baue schon Muskeln auf. Und Balken trägt man sowieso nie allein. Später arbeitet man viel mit Maschinen, da ist Muskelkraft nicht mehr so wichtig. Bei uns gibt es schnelle und langsame Jungs – ich bin nie die Schlechteste.
Max wird Erzieher
Nach der Schule habe ich eine Ausbildung zum Kaufmännischen Assistenten für Informationsverarbeitung absolviert. Am Ende saß ich nur noch im Büro herum und stempelte Dokumente. Genervt hat mich auch, dass ich kaum mit Menschen zu tun hatte, sondern immer nur demselben Kollegen gegenübersaß. Ich bin dann an eine Fachschule für Sozialpädagogik gegangen. Das bedeutet zwei Tage Schule und drei Tage in einer Kinder-tagesstätte. Es ist schon verrückt, dass ich dort der einzige Mann bin. Immerhin gibt es 19 Erzieherinnen. Ich finde die Sonder-rolle, die ich habe, aber ganz gut. Egal ob es meine Kolleginnen sind, die Mütter oder die Kinder – sie kommen alle sehr gern zu mir.
Ich glaube schon, dass Männer mit Kindern anders umgehen. Ich lasse zum Beispiel mehr durchgehen, bin oft geduldiger und nicht so streng. Nicht dass ich mir auf der Nase herumtanzen lasse. Die Kinder sind ja auch schlau und gehen dorthin, wo sie sich am meisten herausnehmen können. In meinem Freundeskreis gab es schon dumme Sprüche. Ob ich irgendwann noch mal was Richtiges machen würde und so. Auf solche Äußerungen hin habe ich dann immer angeboten, mal einen Tag mit mir zu tauschen, das wollte aber noch keiner annehmen. Oft wird die Arbeit, die ich mache, nicht gesehen oder unterschätzt. Darin zeigt sich die ganze Nichtachtung von solchen Berufen, die sehr wichtig für die Gesellschaft sind.
Viel Anerkennung bekommt man außerhalb der Kita also nicht, dafür bei der Arbeit umso mehr. Wenn ich mit den Eltern rede oder mit den Kindern, merke ich, wie froh die sind, dass mal ein Mann Erziehungsarbeit leistet. Besonders wichtig ist mir die ehrliche und direkte Rückmeldung der Kinder. Es heißt ja oft, dass die Jungs kaum noch Ansprechpartner haben, die sie verstehen. Das finde ich nicht, denn meine Kolleginnen sind bei Jungs und Mädchen gleichermaßen verständig. Andererseits sollten auch Mädchen durchaus von Männern erzogen werden, das ist ja in den Familien genauso wünschenswert. Für die Zukunft erhoffe ich mir, dass es etwas normaler wird, dass auch Männer in der Elementarpädagogik arbeiten. Ich mache jetzt genau das, was mir am meisten Spaß bereitet, aber ewig werde ich nicht in einer Kindertageseinrichtung bleiben. Ich will noch ein bisschen weiter, etwa mal die Leitung einer eigenen Einrichtung übernehmen oder zum Jugendamt.