In wenigen Wochen werde ich Paris verlassen. Meine Aliyah – so nennen wir die Auswanderung und Immigration nach Israel – ist nun fast beendet. Ich liebe Paris mehr als jeden anderen Ort, und doch bedeutet Heimat für mich auch, mich sicher und geborgen zu fühlen. Und dieses Gefühl habe ich hier schon länger nicht mehr.
Seitdem islamistische Terroristen Anschläge auf das Satireblatt „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt verübt haben, wächst unter den Juden in Paris die Angst, öffentlich diskriminiert zu werden. Für viele mag das absurd klingen, aber ich spüre deutlich, wie sich die Stimmung verändert hat und ein allgemeines Misstrauen vorherrscht. Noch bin ich nicht wirklich Opfer von Antisemitismus geworden, nur einmal hat mir auf der Straße ein Mann vor die Füße gespuckt. Ein anderer rief ihm zu: „Richtig so!“. Getan habe ich nichts, ich bin einfach weitergelaufen. Zu Hause stand ich dann einige Stunden unter der Dusche – einfach um das Erlebnis von mir abzuwaschen. Mir ist nicht wirklich etwas zugestoßen, aber ich fühle mich alles andere als wohl.
Zunächst werde ich für ein paar Tage in Tel Aviv unterkommen, wohin es dann geht, weiß ich noch nicht genau. Ich bin kurz davor, ein neues Leben zu beginnen, und nun lässt mich die Angst langsam los.Natürlich existieren dort Konflikte, die eine ganz andere Größenordnung besitzen, und trotzdem fühle ich mich mit dem omnipräsenten Militär sicherer als in meiner Nachbarschaft hier in Paris. Das Massaker im Supermarkt, der nur ein paar Straßen von meiner Wohnung entfernt liegt, hat die friedliche Gemeinschaft zerstört. Nicht nur in unserem Viertel. Plötzlich gibt es Ratschläge wie „He, setz deine Sportcap über die Kippa“ oder „Lauf lieber in Gruppen als allein“. Aber ich will mich nicht verstecken müssen und mich von meinen Nachbarn distanzieren. Das Klima in Frankreich ist von einer großen Unsicherheit bestimmt.Schlimmer noch ist der unterschwellige Antisemitismus, der dir in der Politik begegnet. Auf der einen Seite erlebst du vor deiner Haustür das weltoffene Frankreich, das Land der Immigration. Andererseits wird dir oft das Gefühl gegeben, dass du als Immigrant lieber in deinem Heimatland bleiben solltest. Ich war schon öfter in Israel, aber nie für längere Zeit.