Als griechischer Grenzsoldat hat Yannis (Andreas Konstantinou) zwei Aufgaben: Nachts verhindert sein Bataillon illegale Flüchtlingsbewegungen an der griechisch-türkischen Grenze, tagsüber räumen sie Minen. Das explosive Metall lagert dort seit dem Zypernkonflikt im Jahr 1974, als sich griechische und türkische Truppen gegenüberstanden. Yannis ist kein gewöhnlicher Soldat, sondern vielmehr eine symbolische Figur: ein lebensmüder Pazifist. Für den Minentrupp hat er sich freiwillig gemeldet: um anderen das Leben zu retten, an dem ihm selbst nichts mehr liegt.
„Riverbanks“ ist ein hochaktueller Beitrag zur Flüchtlingskrise – politisch und psychologisch etwas überladen, könnte man meinen. Doch was Regisseur Panos Karkanevatos in seinem Drama verdichtet, ist traurige Realität. Überall entlang der Außengrenzen Europas nehmen Menschen tödliche Risiken auf sich, auf der Flucht vor Hunger, Krieg und Perspektivlosigkeit. Und hier haben auch in der Vergangenheit einmal Kriege stattgefunden, ob am Evros oder auf der sogenannten Balkanroute über Mazedonien und Serbien. Doch das Wissen darüber ist verschüttet – wie die Minen unter der Erde.
Chryssa (Elena Mavridou) gehört zu einer Schlepperbande, die Flüchtlingskinder in diesem Gebiet als Drogenkuriere benutzt. Viele der Kinder überleben die nächtliche Reise nicht. Wenn Yannis im Bett der Kaserne eine Explosion hört, krampfen sich seine Hände zusammen. Als er Chryssa einmal im Minenfeld begegnet, mit einem kurdischen Jungen an ihrer Seite, lässt er sie laufen. Sicher, er hat sich verliebt. Aber er scheint auch zu ahnen, dass diese innerlich verhärtete Frau Gründe für ihr Handeln hat; nur vom Obstverkauf auf dem Markt kann die alleinerziehende Mutter nicht leben. Und bessere Jobs gibt es im krisengeschüttelten Griechenland gerade kaum. Obendrein ist der Chef der Schleuserbande der Vater ihres Kindes. Um Kinder als Ware zu betrachten, die gelegentlich nicht ankommt, muss ja schon einiges zusammenkommen.
Regisseur Panos Karkanevatos, der auch als Fernsehjournalist arbeitet, entschuldigt nichts davon – im Gegenteil: Er zeigt die ganze Brutalität des Schleppergeschäfts. Doch ohne die größeren ökonomischen Zusammenhänge ist auch dieses nicht zu begreifen. Denn an den Grenzen Europas trifft Leid auf noch größeres Leid.
Der Film, jungen Flüchtlingen gewidmet, ist eigentlich einer über die Krise in Griechenland, die längst eine europäische Dimension umfasst. Yannis, der pazifistische Soldat mit unmöglicher Aufgabe, handelt in europäischem Auftrag. Die Fluchtursachen in Syrien, Irak oder Afghanistan spielen im Film keine Rolle. Der Anblick eines zerfetzten Spielzeugteddys im Minenfeld muss genügen; es gibt schon zu viele Details, in denen sich der Film etwas verliert: Internationale Hintermänner telefonieren in Luxuskarossen, ein Schleuser mit zu hoher Todesquote wird erschossen, selbst der Adoptionshandel mit entkommenen Waisenkindern darf nicht fehlen. Es sind Randphänomene des wirklichen Problems, die Yannis und Chryssa – man weiß das von Anfang an – zusammenschweißen. Gemeinsam wollen sie dem Drama entkommen. Wenn nichts mehr hilft, tut es vielleicht die Liebe.
„Riverbanks“ überzeugt durch starke Schauspielleistungen, ruhige Naturaufnahmen und eine fast thrillerartige Handlung, die die Schönheit der Landschaft immer wieder Lügen straft. Menschen mit Rucksäcken streifen durch Kornfelder, für die Handlung aber scheinen sie so unerheblich wie für das Weltgeschehen. Doch jeder Einzelne zählt: Jede Geschichte ist wichtig, auch wenn man sie nicht erfährt. Der Wechsel von atmosphärischer Dichte und allergrößter Verlorenheit mündet schließlich in einem Finale, das die Zusammenhänge noch einmal vor Augen führt: packend – und natürlich auch symbolisch. Bei solch ernüchternden Tatsachen muss das erlaubt sein.