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cms-image-000046883.jpg (Foto: Renke Brandt)
(Foto: Renke Brandt)

Als der US-Bürgerkrieg 1865 zu Ende ging und die Sklaverei endgültig abgeschafft wurde, kauften im Süden viele Afroamerikaner günstig die Musikinstrumente der aufgelösten Armeekapellen. Daraus entstanden die sogenannten Street Bands, später auch Marching Bands genannt – kleine bis mittlere Formationen, die auf Hochzeiten, Beerdigungen oder beim Karneval spielten.

Das Repertoire dieser Bands war breit. Es reichte über Spirituals und Blues bis Ragtime und europäisch geprägter Marschmusik. Gespielt wurde aus dem Kopf, nicht vom Blatt. Berühmt waren die Street Bands von New Orleans, wo nach Meinung vieler Musikhistoriker der Jazz geboren wurde, der später in New York und Chicago aufgewachsen ist. Beim New Orleans Jazz trugen das Kornett oder die Trompete die Melodie, die Klarinette umspielte sie mit Gegenmelodien, und die Posaune gab die Grundtöne der Akkorde vor. Für den Rhythmus sorgten meist Tuba, Kontrabass und Schlagzeug.

Nachdem 1917 das Vergnügungsviertel Storyville, wo es viele Clubs gab, von der Stadt geschlossen wurde, verließen viele Musiker mangels Auftrittsmöglichkeiten die Stadt und trugen damit den neuen Musikstil in den Rest der USA. Die erste Platte, die die Entstehung des neuen Sounds aus dem Süden dokumentierte, wurde schließlich in New York eingespielt

Sie stammte auch nicht von den afroamerikanischen Erfindern, also den Nachkommen der Sklaven, sondern von der weißen Original Dixieland Jass Band. Ihr Stück „Livery Stable Blues“ wurde der erste Millionenseller der Popgeschichte und löste eine landesweite Hysterie aus.

Die Top 10 New Orleans von Rolf Thomas, Kritiker bei „Jazz thing“, „Jazzthetik“ und der „FAZ“

1. King Oliver’s Creole Jazz Band: „Canal Street Blues“ (1923) 

Joe „King“ Oliver war der erste Kornettist, der den New Orleans Sound bekannt machte, und der „Canal Street Blues“ zählt zu seinen ersten Aufnahmen – am zweiten Kornett ein gewisser Louis Armstrong.

2. Louis Armstrong and his Hot Five: „West End Blues“ (1928)

Sehr schnell sollte der Schüler den Meister überflügeln, und Louis Armstrong wurde zum bedeutendsten Jazzmusiker des 20. Jahrhunderts – sein Ruhm basiert auf diesem Stück und dessen einleitendem Trompetensolo.

3. Louis Armstrong and his Hot Seven: „Potato Head Blues“ (1927)

Für einige Aufnahmen hat Armstrong seine berühmte Hot Five um Tuba und Schlagzeug aufgestockt – für Woody Allen zählt im Film „Manhattan“ von 1979 der „Potato Head Blues“ zu den Dingen, die das Leben lebenswert machen.

4. Jelly Roll Morton: „King Porter Stomp“ (1923)

Der Pianist Ferdinand „Jelly Roll“ Morton beharrte bis zu seinem Lebensende störrisch darauf, dass er den Jazz „erfunden“ habe – wenn man seine Komposition von 1923 hört, glaubt man es ihm fast.

5. Kid Ory: „Ory’s Creole Trombone“ (1922)

Dem Posaunisten Edward „Kid“ Ory kommt das Verdienst zu, mit diesem Stück für die erste Aufnahme einer schwarzen Jazzband überhaupt verantwortlich zu sein – zugleich ist das Stück näher am ursprünglichen New-Orleans-Stil als die Aufnahmen von King Oliver und Louis Armstrong

6. Johnny Dodds’ Black Bottom Stompers: „Wild Man Blues“ (1927)

Der Klarinettist Johnny Dodds zählte zu den Musikern, die zwar technisch limitiert, aber rhythmisch äußerst intensiv waren – sein „Wild Man Blues“ mit Louis Armstrong am Kornett wurde ein Top-30-Hit.

7. Sidney Bechet: „Summertime“ (1938)

Er stammt zwar aus New Orleans, ging aber schon früh auf Tournee in der ganzen Welt und ließ sich schließlich in Frankreich nieder – 1938 gelang dem Klarinettisten Sidney Bechet mit seiner Fassung von George Gershwins „Summertime“ ein Welthit.

8. Fats Domino: „Blueberry Hill“ (1956)

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde New Orleans zur Wiege eines besonderen, schwarzen Rhythm & Blues mit einem ganz speziellen Flair – der größte Hit des Pianisten Fats Domino mit seinen rollenden Klavierfiguren steht dafür exemplarisch.

9. Neville Brothers: „Yellow Moon“ (1989)

Die „First Family of Funk“, wie sie in New Orleans auch genannt wurde, feilte jahrzehntelang an ihrem speziellen Sound, bis sie sich der Ende der 1980er-Jahre endlich mit Album „Yellow Moon“ weltweit durchsetzte.

10. Trombone Shorty: „Backatown“ (2010)

Der junge Posaunist Trombone Shorty alias Troy Andrews ist ein Beispiel dafür, dass auch heutzutage noch Musiker aus New Orleans mit einem Sound, der nur aus dieser Stadt stammen kann, Erfolg haben können – mit dem Song „Backatown“ aus dem gleichnamigen Album gelang ihm 2010 der Durchbruch.