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„Es gibt so selten die Gewöhnlichkeit und so oft das Extrem“

Sebastian „El Hotzo“ Hotz ist für seine Memes bekannt. Jetzt hat er ein Buch über hochstapelnde Männer geschrieben

fluter.de: Bei dir wurde heute laut Instagram-Story um acht Uhr das Wasser abgestellt. Wie war’s?

Sebastian Hotz: Schwierig. WLAN brauche ich zwar öfter, aber ich habe festgestellt, dass Wasser doch recht wichtig ist. Die Reste in der Leitung haben gerade noch gereicht, um die Hände zu waschen. Deshalb konnte ich deine eben auch schütteln.

Du gibst dich und deine Sorgen in der Öffentlichkeit betont gewöhnlich, dabei bist du mit 1,5 Millionen Followern ein Internetstar.

Nach zwei Jahren Showbusiness bin ich frustriert: Es ist nicht so glitzernd und geil, wie man es sich vorstellt. Du denkst, im Backstagebereich wird Kaviar gegessen und Champagner getrunken, aber dann steht da eine Hummusplatte neben einer Cola. Ich werde mit Witzeschreiben nie so reich werden, dass ich keine Wäsche mehr waschen muss. Wahrscheinlich ist das gut so.

Die Protagonisten deines Romans „Mindset“ machen es genau andersrum: Sie stapeln hoch und wollen um jeden Preis Anerkennung. Dabei helfen sollen dubiose Selbsthilfeseminare.

Sich selbst zu verbessern ist nicht per se schlecht oder neoliberal – es ist schön, wenn man an sich arbeitet. Aber in Wirklichkeit sind diese Seminare deutlich gefährlicher, als ich sie darstelle. Zur Recherche war ich in einem dieser Onlinekurse, da steckt neben großem Betrugs- auch großes Gewaltpotenzial drin. Völlig selbstzerstörerisch.

„Alles muss interessant und besonders wirken, selbst die Spotify-Playlist am Ende des Jahres“

Deine Figuren wollen alles sein, nur nicht mittelmäßig.

Im Internet wird uns die ganze Zeit vorgelebt, dass wir der Mittelmäßigkeit entfliehen müssen. Jeder Influencer und jede Influencerin macht einen individuellen Urlaub und keinen auf Malle. Alles muss interessant wirken, selbst die Spotify-Playlist am Ende des Jahres muss besonders sein. Dabei glaube ich, dass im Ordinären eine Kraft liegt. Wer die eigene Durchschnittlichkeit annimmt, spart viel Kraft.

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MINDSET
Mehr als Memes: Der Roman von El Hotzo ist am 5. April erschienen (bei Kiepenheuer & Witsch)

Um damit …

… das Leben zu genießen. Das ist einfacher, wenn man nicht darauf bedacht ist, dauernd die Außenwahrnehmung zu steuern. Ich habe mal bei Siemens gearbeitet und mir gedacht: Um Gottes willen, wie können diese Leute seit 40 Jahren an einer Dampfturbine arbeiten?! Aber wenn die um 15 Uhr nach Hause fahren, wartet da ein kleiner Rasen, den sie mähen können, und vielleicht eine Person, die sie liebt und ein paar Kinder, die sie mögen. Ein durchschnittliches Leben ist sicher nicht so unglücklich, wie ich es in meinen Memes gern aussehen lasse.

Ähnlich wie dein Protagonist Mirko bist auch du in einem Kaff aufgewachsen. Du warst ein Außenseiter, hast in Erlangen und Nürnberg ein duales Studium gemacht, BWL, und dann noch Wirtschaftspsychologie studiert – in Bielefeld. War dir das irgendwann zu mittelmäßig?

Bei meinem ersten Job hat wer zu mir gesagt: Hey, wenn du das fünf Jahre machst, stehen dir alle Türen offen! Ich habe mir gedacht: Fünf Jahre? Das ist ein Viertel meiner bisherigen Lebenszeit! Ich habe die Vorstellung nicht gepackt, dass mein Leben fertig geplant ist.

In ihrem Versuch, sich von anderen abzuheben, nämlich „Wölfe“ zu sein statt Schafe, wanken deine Figuren ständig zwischen Selbstüberhöhung und -erniedrigung. Ist das etwas, das du …

Ja. Zu 100 Prozent.

„Ja“ auf welche Frage?

Ich beobachte bei mir, dass ich kein „Joa, ganz gut“ habe, sondern nur ein „Ich bin der Allergrößte“, wenn ich eine gute Sendung geschrieben habe [Anm.: Hotz schreibt u.a. für das ZDF Magazin Royale], oder ein „Ich bin das Letzte“, wenn mir an einem Tag kein Gag eingefallen ist. Dieses krasse Schwanken ist bei vielen Menschen in meinem Umfeld so. Es gibt so selten die Gewöhnlichkeit und so oft das Extrem. Vielleicht liegt das an der Branche und daran, dass Erfolg, den die meisten anstreben, eben ein Extrem ist.

In deinem Roman bedeutet erfolgreich sein: Porsche fahren, Rolex tragen. Sind das immer noch Insignien für Erfolg?

Es gibt natürlich komplett abgehobene Milliardäre wie Mark Zuckerberg, die mit kurzen Hosen und Sandalen herumlaufen. Aber ich denke, in der breiten Masse zwischen geleastem Porsche und Millionär ist das schon so. Auch im Mikrokosmos der Erfolgscoaches, um die es in dem Buch viel geht, gelten noch die gutbürgerlichen 80er-Jahre-Statussymbole.

Und bei deinen Followern?

Da hilft ein gut eingelaufenes Paar Doc Martens. Eine große Plattensammlung. Die coole Jahresendzusammenfassung auf Instagram. Auch Unwissen ist gerade ein gutes Statussymbol.

Ah ja?

Wenn ich zum Beispiel über irgendeinen Podcast oder eine Serie rede und mein Gegenüber unterbricht: „Fest und flauschig? Dschungelcamp? Hab’ ich noch nie gehört“, dann denk ich mir: Fuck, du bist der coolste Mensch aller Zeiten.

Weil es der Person egal ist, nicht mitreden zu können? Oder weil sie keine Zeit hat für „sowas“?

Beides. Manche tun natürlich auch gern so, als wären sie einzig literarisch gebildet. Aber wenn man etwas nicht kennt oder weiß, ist es cool, dazu zu stehen.

„Krypto hat genau die richtige Mischung aus Überlegenheit, Technik und Sektenhaftigkeit“

Würde deine Geschichte auch mit zwei weiblichen Hauptrollen funktionieren?

Ich glaube, nein. Es gibt diesen Selbstverbesserungskult auch in der, sagen wir, „weiblichen Hälfte“ des Internets. Aber diese Verwebung von neoliberaler Erfolgserzählung und pseudowissenschaftlichem Alphamensch-Denken? Zumindest ist mir dieses zerstörerische Kultdenken bisher nur im „männlichen Internet“ aufgefallen. Würde man die Geschichte mit zwei Protagonistinnen erzählen, ich glaub, es würde vielleicht in Richtung Girl-Boss-Erzählung gehen …

Eine wichtige Rolle in deinem Roman spielt die Kryptowährung „$EGO“. Auch so ein Thema des „männlichen Internets“?

Krypto hat genau die richtige Mischung aus Überlegenheit, Technik und Sektenhaftigkeit – man kann sich schlauer fühlen als alle anderen. Es hat eine eigene Meme-Kultur. Und der größte Mann der Welt ist ein Kryptofan, Elon Musk, was auch viele anzieht. Krypto ist der V8-Motor, aber als Technologie.

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Dopamin

Können Insta und Co. psychisch krank machen?

Mirko und Maximilian sind süchtig nach Bestätigung. Wie ist das bei dir: Was machen 100.000 Likes mit dir, was zehn?

Mein Gehirn kann Zahlen über 100 schlecht verarbeiten, das schützt mich ein bisschen. Und ich habe im Gegensatz zu anderen Personen des Internets den großen Vorteil, dass ich nicht finanziell davon abhängig bin. Aber es macht trotzdem etwas mit mir: Ich bin glücklich, wenn ich Zuspruch bekomme. Mein Abend wird schlechter, wenn ich sehe: Ah, das fand keiner lustig. Twitter ist eine der wenigen Plattformen, wo man Leute noch treffen kann. Also nicht nur mit ihnen in Kontakt treten, sondern sie auch im Herzen treffen.

Du hast ein Jahr an deinem Buch geschrieben. Wie war es für dich, nicht gleich Feedback zu bekommen?

Ultrahart. Zeitweise hatte ich überhaupt keinen Bock mehr weiterzuschreiben. Aber am Ende bist du stolz darauf. Ich glaub, es hat meiner Psyche sehr gutgetan. Nicht immer nur Tweet, Tweet, Tweet, Instagram-Post, Story und dann alles wieder löschen, weil es nicht lustig war.

Auch in „Mindset“ kommen soziale Medien schlecht weg. Warum bleibst du dabei?

Ohne Social Media wäre ich nichts, allein beruflich. Außerdem hatte ich immer Probleme, Freunde zu finden. Es ist kitschig und peinlich, das zu sagen, aber mir hätten die viel gescholtenen sozialen Medien nichts Besseres schenken können als einen Freundeskreis, der mich mag, wie ich bin. Oder zumindest so tut. Es ist befreiend, mit Menschen Zeit zu verbringen, nicht weil man in der Schule oder irgendwo neben ihnen sitzen muss, sondern weil man einen ähnlichen Humor oder Blickwinkel auf die Welt hat.

In deinen Tweets kritisierst du die Welt und ihren Kapitalismus, indem du dich darüber lustig machst. In deinem Buch taucht ein Erzähler auf, der in ganz kurzen Passagen überraschend ernsthaft referiert: über den Unabomber, über den Frühsozialisten Robert Owen, über die Versklavung durch die Uhr. Gibt es bald mehr Ernstes von dir?

Auf gar keinen Fall. Viele Comedians wollen ernst genommen werden. Ich hatte aber einfach Lust, am Anfang jedes Kapitels eine böse, wütende Stimme zu hören. Ich glaube auch nicht, dass ich schlau genug bin für Ernsthaftigkeit – und das sage ich ganz ohne Tiefstapelei.

Titelbild: Nikita Teryoshin / OSTKREUZ

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