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cms-image-000045417.jpg (Foto: Rommel Film/Pandora Film/Peter Hartwig)
(Foto: Rommel Film/Pandora Film/Peter Hartwig)

Die Vampirin fährt Skateboard. Zu Hause, in ihrem Ein-Zimmer-Kellerapartment, nimmt sie ausgiebige Wannenbäder oder tanzt zur Musik von Post-Punk-Platten. Allein, denn Vampire sind einsame Wesen. Wenn sie rausgeht in die Nacht, dann zieht sie ihren schwarz-weißen Ringelpulli an und hüllt sich in ihren Tschador. Verdammt cool ist sie, die namenlose Hauptfigur aus „A Girl Walks Home Alone At Night“, die jedem Indie-Jungen da draußen den Kopf verdrehen wird – bevor sie seinen Hals aussaugt. Sprechen tut sie eher wenig.

Auch sonst sind das Personal, die Story, die Dialoge von „A Girl Walks Home Alone At Night“ stark reduziert: In Bad City, einer heruntergekommenen Stadt mit leeren Straßen am Rande eines Ölfelds, lebt der junge Arash gemeinsam mit seinem heroinabhängigen Vater. Mit harter Tagelöhnerei hat er sich seinen großen Traum, einen eigenen Ford Thunderbird, erfüllt – um ihn im nächsten Moment schon zerplatzen zu sehen. Der überpotente Drogendealer und Zuhälter Saeed nimmt den Wagen als Kaution für die Schulden von Arashs Vater. Als Arash eines Nachts die Vampirin auf der Straße trifft, verliebt er sich sofort in sie, was naturgemäß gewisse Komplikationen mit sich bringt.

Weitere tragende Nebenrollen haben eine Prostituierte, ein Mädchen aus reichem Hause, ein kleiner Junge und eine Katze. Mehr braucht Regisseurin Ana Lily Amirpour nicht. Ihr Film lebt von seiner Stimmung, auch vom guten Soundtrack. Die Bildsprache ist expressionistisch und artifiziell, so sind etwa Spiegel – in denen Vampire bekanntermaßen nicht zu sehen sind – ein dauerpräsentes Motiv. Aus dieser Noir-Ästhetik eine Comicserie zu machen ist offenbar so naheliegend, dass Amirpour es gleich selbst übernommen hat: Gemeinsam mit dem Zeichner Michael DeWeese erzählt sie in mehreren Bänden die über 200 Jahre zurückreichende Vorgeschichte der Vampirin, von der man im Film rein gar nichts mitbekommt.

Allzu viel Horror- oder gar Fantasy-Elemente sollte man indes nicht erwarten. „A Girl Walks Home Alone At Night“ ist ein seltsamer Genremix – vermarktet wird er als welterster „Iranian Vampire Spaghetti Western“. Ja, richtig: ein iranischer Vampirwestern. Das ist klingt etwas steiler, als es ist: Hier wurde kein Film voller westlicher Popkulturreferenzen und auch ein wenig nackter Haut an den iranischen Zensurbehörden vorbei produziert und zur Uraufführung beim Sundance Film Festival geschmuggelt. Es wird auch niemand Berufsverbot oder Gefängnisstrafen bekommen, wie es dem regimekritischen Berlinale-Gewinner Jafar Panahi widerfahren ist. Denn Amirpour und ihre Schauspieler sind Exil-Iraner bzw. die Kinder von Exil-Iranern, gedreht wurde der Film größtenteils in der kalifornischen Kleinstadt Taft. Die Originalsprache ist aber Farsi, und Bad City liegt im Iran.

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cms-image-000045414.jpg (Foto: Rommel Film/Pandora Film/Peter Hartwig)
(Foto: Rommel Film/Pandora Film/Peter Hartwig)

Dank Amirpours augenfälliger Liebe zu B-Movie-Stoffen und -Zitaten wird sie bereits als kommender Quentin Tarantino bezeichnet. Dabei steckt in ihrem Debütfilm mindestens ebenso viel Jim Jarmusch, der ja vor gut einem Jahr mit „Only Lovers Left Alive“ ebenfalls einen ungewöhnlichen und guten Vampirfilm gemacht hat. „A Girl Walks Home Alone At Night“ erinnert in seiner handlungslosen Coolness an Jarmuschs Anfänge in den 80er-Jahren – bis hin zu den Totalen von Bürgersteigen, in denen Leute einmal quer durchs Bild laufen.

Amirpour, 1980 in England geboren und als Kind in die USA gezogen, nennt auch Robert Zemeckis, David Lynch und Harmony Korine als Regie-Einflüsse. Außerdem liebt sie James Dean, Sergio Leone, Sophia Loren, Die Antwoord, Michael Jackson und Bruce Lee. Das iranische Kino hingegen findet sie langweilig: „Mein Film ist ja schon langsam, aber immerhin passiert etwas“, sagt sie. „In iranischen Filmen geht das dann so: Ein Bleistift ist ein Symbol für die Gesellschaft, und ein Junge muss den Bleistift in ein anderes Dorf bringen.“

Das nächste Projekt von Ana Lily Amirpour ist bereits angekündigt als „postapokalyptische Kannibalen-Lovestory im texanischen Wasteland“ mit Jim Carrey und Keanu Reeves in den Hauptrollen. Von dieser Frau werden wir noch einiges hören.

Michael Brake ist Kulturredakteur bei fluter.de und freier Journalist.