„Mein Vater ist Terrorist“, erklärt der sechsjährige Eyad stolz seinen Klassenkameraden, als die Schüler im Unterricht die Berufe der Eltern vorstellen sollen. Der Lehrer seiner arabischen Grundschule ist mit dieser Aussage überhaupt nicht einverstanden, er besteht darauf, dass Eyads Vater „Pflücker“ sei: ein einfacher Tagelöhner, wie so viele arabische Israelis in den 1970er- und 1980er-Jahren. Also setzt es für jede Wiederholung des bösen Wortes einen Stockhieb.

Die politische Konnotation des Begriffs „Terrorist“ kann Eyad in seinem Alter noch nicht abschätzen. Eine israelische Tageszeitung hatte den Vater so genannt, nachdem er bei Demonstrationen gegen die israelische Siedlungspolitik und den Libanonkrieg festgenommen wurde. Der überzeugte Marxist sieht sich – im Gegensatz zum offiziellen Sprachgebrauch – als Widerstandskämpfer für die palästinensische Sache.

Welche unterschiedlichen Reaktionen das Wort hervorruft, erkennt Eyad, als er einen jüdischen Gastschüler mit nach Hause bringt und sich einen Spaß daraus macht, seinen Vater wieder als Terroristen vorzustellen. Das gemeinsame Mittagessen, bei dem der „Terrorist“ wild mit dem Fleischmesser gestikuliert, scheint alle Vorurteile des verängstigten Jungen zu bestätigen.

Mit seinem neuen Film nimmt der israelische Regisseur Eran Riklis das Verhältnis von Juden und Arabern aus einer innerisraelischen Perspektive ins Visier. Eyad wächst in der nordisraelischen Stadt Tira an der Grenze zum mehrheitlich von Palästinensern bewohnten Westjordanland auf. Seine Kindheit ist bescheiden, aber unbeschwert, was auch daran liegt, dass Eyad in seiner Familie als „Wunderkind“ gilt. Er soll es einmal besser haben als der Vater, der wegen seiner politischen Überzeugung von der Universität geflogen ist.

Einen Nebenjob bekommt Eyad nur als Küchenhilfe

Auf dem Elite-Internat realisiert Eyad als einziger arabischer Schüler allerdings sehr bald, dass soziale Diskriminierung ausgesprochen subtil ausfallen kann. Fernab des Elternhauses beginnt er zu verstehen, was es bedeutet, als arabischer Israeli in einer jüdisch geprägten Gesellschaft zu leben. Sein arabisch gefärbtes Hebräisch kennzeichnet ihn automatisch als Außenseiter, nach dem Unterricht muss er Schmähgesänge über sich ergehen lassen, und einen Nebenjob im Restaurant bekommt er wie alle Araber nur als Küchenhilfe.

„Mein Herz tanzt“ basiert auf dem semibiografischen Roman „Tanzende Araber“ des arabisch-israelischen Schriftstellers Sayed Kashua. Regisseur Riklis erweist sich bei der Verfilmung erneut als genauer und immer wieder auch ironischer Beobachter jener sozialen Dynamiken, die eine Annäherung von jüdischen und arabischen Israelis im Alltag erschweren. Eyads Hoffnung auf gesellschaftliche Akzeptanz über den Bildungsweg wird getrübt, weil Vorurteile und Misstrauen auf beiden Seiten zementiert sind. Seine einzigen Vertrauenspersonen sind Naomi, die aber nicht öffentlich zu ihren Gefühlen für Eyad stehen will, und Yonatan, der durch eine seltene Muskelkrankheit an den Rollstuhl gefesselt ist. Ob er so geboren wurde, will Eyad bei ihrem ersten Treffen wissen. „Und du“, antwortet Yonatan, „bist du so von Geburt an?“

Die Frage trifft ins Herz des Films, der die kulturelle Identität eines Menschen nicht als „Erbgut“ versteht, sondern als Gesamtheit persönlicher Erfahrungen. Regisseur Riklis sieht sich als Filmemacher in einer ständigen Vermittlerrolle, aus seinen bisherigen Filmen sprach daher stets ein unerschütterlicher Optimismus. „Mein Herz tanzt“ ist in seinen Beobachtungen der gesellschaftlichen Verhältnisse deutlich vielschichtiger, so dass Riklis’ Plädoyer für eine kulturelle Verständigung fast zwangsläufig nüchtern ausfällt. Zwar hat „Mein Herz tanzt“ eine humanistische Ader. Doch die Erkenntnis, dass guter Wille bei der Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern allein nicht reicht, verleiht dem Film auch politische Aktualität.