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cms-image-000046536.jpg (Foto: Weltkino)
(Foto: Weltkino)

Wie schreibt man einen großen Song? Jon hat keine Ahnung. Die englische Küstenstadt, in der er wohnt, bietet kaum Inspiration, und vor allem sind die wenigen Ideen, die Jon durch den Kopf schwirren, zu Hause am Keyboard schon wieder vergessen.

Vielleicht ist Jons Kopf zu klein? Der Gedanke drängt sich auf, als er Frank begegnet. Der sensible Sänger ist das musikalische Genie der merkwürdigen Experimentalrock-Band Soronprfbs und trägt einen riesigen Fiberglaskopf. Zu seiner großen Verwunderung wird Jon (Domhnall Gleeson, Foto unten) als Ersatz-Keyboarder eingestellt.

Die wirkliche Überraschung erlebt Jon aber auf einer Fahrt nach Irland, wo die Band ihr erstes Album aufnehmen will: Frank trägt den Kopf nicht nur auf der Bühne, sondern auch privat. Er nimmt ihn genau genommen niemals ab. Warum? Ist das nicht etwas seltsam? Die restlichen Bandmitglieder wehren Jons Fragen feindselig ab, der junge und reichlich naive Möchtegernmusiker hat überhaupt einen schweren Stand. Frank selbst hingegen ist, in einer stillen Stunde, durchaus zugänglich: Normale Gesichter, tönt es sanft unter dem Kopf hervor, seien schließlich auch seltsam. Guter Punkt. Mehr und mehr glaubt Jon zu verstehen und irrt sich natürlich gewaltig.

„Frank“ ist ein so exzentrischer wie liebenswerter, ein rätselhafter und immer wieder düsterer Film. Die Inspiration lieferte die Karriere des britischen Musikers und Komikers Chris Sievey, der es unter dem kugelförmigen Riesenkopf seiner Kunstfigur Frank Sidebottom ab etwa 1984 im Nordwesten Englands zu Berühmtheit brachte. Im realen Leben nahm Sievey den Kopf durchaus ab, wenn auch nicht zwischen kurz aufeinanderfolgenden Gigs. Doch eine Biografie hat der Filmemacher Lenny Abrahamson („Garage“) ohnehin nicht im Sinn, ihn fasziniert vielmehr der Gedanke der Maske. Und so ist „Frank“ selbst ein maskierter Film, der Sieveys Figur zum Anlass grundsätzlicher Fragen nimmt: über den Zusammenhang von Genie und Wahn, Kunst und Leben oder das zwiespältige Wesen der Berühmtheit.

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cms-image-000046523.jpg (Foto: Weltkino)
(Foto: Weltkino)

Unter Franks groteskem Plastikkopf den prominenten Schauspieler Michael Fassbender zu verstecken ist nur der offensichtlichste Coup. So hat man die lange Geschichte maskierter Musiker von den Residents über Daft Punk bis zum Rapper Cro schnell im Hinterkopf. Doch das Spiel mit den Referenzen der Popgeschichte reicht noch tiefer. Direkten Einfluss auf die surrealen Texte und den – von den Darstellern live eingespielten – Sound von Soronprfbs hatte Captain Beefheart & His Magic Band. Deren langen und mit vielen Streitigkeiten verbundenen Aufnahmeprozess zu „Trout Mask Replica“ Ende der 1960er-Jahre machen die Soronprfbs in einer abgelegenen Hütte in Irland gewissermaßen von Neuem durch. Das legendäre Cover des Captain-Beefheart-Albums zierte das Bild eines Mannes mit einem vor das Gesicht gehaltenen Fischkopf.

Frank ist dem Gedanken der Berühmtheit übrigens nicht abgeneigt. Als herauskommt, dass Jon die ganze Zeit über getwittert und Clips der Aufnahmen ins Netz gestellt hat, um die Band bekannt zu machen, sind nur die anderen entsetzt. „Einladendes Lächeln“ oder „freundliches, nicht bedrohliches Grinsen“ sind Franks wörtlich ausgesprochenen Reaktionen darauf, die seine nicht vorhandene Mimik ersetzen sollen.

Umso bestürzter reagiert Frank, als er erfährt, dass 23.000 Zuschauer bei YouTube gar nicht viel sind. Franks Verhältnis zur Außenwelt ist so problematisch, wie sein Kopf vermuten lässt, und seine innere Konstitution fragiler, als es zunächst scheint. Der psychisch kranke Singer-Songwriter Daniel Johnston war ein weiteres Vorbild.

Ein einziges rätselhaftes Emoticon

Im Grunde ist sein gleichförmig begeistert, erstaunt und manchmal auch entsetzt wirkender Gesichtsausdruck ein einziges rätselhaftes Emoticon – unter dem der wie befreit aufspielende Fassbender agiert wie ein kleines Kind. Menschen wie Frank brauchen ein stabiles Umfeld, in seinem Fall die Band, deren kreative Basis aus Eifersüchteleien, Versagensängsten und totaler Hingabe an die Musik durch Jons kommerziellen Ehrgeiz in Gefahr gerät.

Regisseur Abrahamson zelebriert diesen erbitterten Kampf ums künstlerische Ethos – Maggie Gyllenhaal als Monster am Theremin – mit viel Feingefühl und Witz, ohne die Abgründe zu scheuen. Und gibt auf dem Weg zumindest eine Ahnung davon, was einen großen Song ausmacht. Inspiration ist überall, und in diesem Film mehr als genug.