„Das Ringen hält Jungs davon ab, in den Wald zu verschwinden“, sagt Adam Saitiev. In den Wald verschwinden, das ist in seiner Heimat ein Synonym für: sich islamistischen Untergrundkämpfern anschließen.
Die russische Teilrepublik Dagestan im Nordkaukasus ist mehrheitlich muslimisch. Die meisten der drei Millionen Einwohner gehören dem Sufismus an, einem gemäßigten Islam. Doch in Dagestan konzentriert sich auch der islamistische Terrorismus.
„Dagestan ist seit 2009 das Epizentrum des bewaffneten Kampfes im Nordkaukasus“, erklärt Jekaterina Sokirjanskaja, Kaukasus-Expertin der International Crisis Group, gegenüber dem Deutschlandfunk. Die islamistischen Kämpfer, die im Untergrund agieren und gegen die Sicherheitsbehörden kämpfen, sind Ende der 1990er-Jahre aus dem benachbarten Tschetschenien ins Land gelangt.
Bis heute sollen sich nach Schätzungen der russischen Behörden mehr als 1.000 Kämpfer dem Islamischen Staat angeschlossen haben. Rund 15.000 Menschen stehen auf der Gefährderliste. Der jugendliche Bremer Gefährder, der Ende letzten Jahres abgeschoben wurde, stammte aus Dagestan, ebenso die zwei jungen Selbstmordattentäterinnen, die in der Moskauer U-Bahn 2010 eine Bombe zündeten. Und auch die beiden Brüder, die 2013 den Anschlag auf den Marathon in Boston verübten, lebten zumindest zeitweise dort.
Doch Dagestan ist noch für etwas anderes bekannt: seine unschlagbaren Ringer. Shirvani Muradov hat eine olympische Goldmedaille gewonnen, Mavlet Batirov und Adam Saitiev zwei und Adams Bruder Buvaisar gleich drei. Tausende Jungs träumen davon, es ihnen eines Tages gleichzutun. Und weil das ein besseres Ziel ist, als Kämpfer für ein Kalifat zu werden, stecken Dörfer, Städte und Kommunen viel Geld in den Ausbau von Trainingszentren – die oft Fitnesscenter, gemäßigte Moschee und Kindertagesstätte in einem sind.
Fotos: Sergey Ponomarev NYT/Redux/laif