Der Horror des Krieges ist ein Geschwür, das durch Gehirnwindungen wuchert, das die Überlebenden vergiftet und ihren Alltag zur Hölle zu macht. Phil Klay, 1983 geboren, geht es genau um dieses boshafte Geschwür, das die eigentliche Wahrheit des Krieges darstellt. Und wer das Buch des ehemaligen US-Marines, der 2007 bis 2008 im Irak als Presseoffizier diente, gelesen hat, der bekommt eine düstere, traurige Ahnung davon, wie der Krieg nicht bloß Menschen tötet – im Irakkrieg waren es Hunderttausende –, sondern Seelen aushöhlt und zerstört.
So wie die des Ich-Erzählers aus „Einsatzbericht“, einer der zwölf fiktiven Geschichten in „Wir erschossen auch Hunde“. Mit seinem Trupp gerät der Marine in einen Hinterhalt; eine Mine explodiert unter dem Fahrzeug. Im anschließenden Feuergefecht erschießt ein Soldat namens Timhead einen irakischen Jungen – aus Versehen. Der Tod des Jungen treibt den Ich-Erzähler um, er versucht, den Schützen zum Reden zu bringen. Aber der schweigt und spielt Pokémon. Der Erzähler will mit Vorgesetzten über den Vorfall sprechen, dann mit einem Pfarrer. Der aber entgegnet: „Ich weiß nur, dass Sie ihren Job getan haben.“ Am Ende der Geschichte schießt ein Heckenschütze auf einen anderen Soldaten des Bataillons. Die Kugel streift seinen Hals; es bleibt eine Narbe. Timhead nimmt diese Erfahrung so sehr mit, dass er seinerseits den Ich-Erzähler anspricht. Diesmal aber bleibt der stumm. Darauf Timhead: „Tja. Egal. Ist nicht so wichtig.“ – „Nein … Ist es nicht.“
Es sind solche Momente, die während der Lektüre immer wieder zu Schockstarre und Verwirrung führen, viel stärker als die realistischen Beschreibungen von Leichen, deren Haut sich in der Sonne löst, von verbranntem Fleisch, das wie Steak riecht, und von der testosteronbefeuerten Soldatenwelt, in der es um die eigene Härte, Alkohol und Nutten geht. Durch die bohrenden Fragen nach dem Sinn oder nach der Sinnlosigkeit des Krieges – nicht nur des Irak-Krieges – erreicht Klays Buch universelle Bedeutung, unabhängig davon, dass hier allein die Sicht von US-Soldaten verarbeitet wird. Damit steht das Buch in einer Reihe mit Klassikern wie Tim O'Briens „Was sie trugen“ über den Vietnam-Krieg oder auch Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“.
In den Kurzgeschichten begleitet der Leser Marines nicht nur in das Grauen des Krieges, sondern folgt ihnen auch auf dem Weg zurück nach Hause. Dort treffen sie auf ihre Frauen, die nichts mehr von ihnen wissen wollen, auf Freunde, vor die sich die Kriegserfahrung wie eine Wand geschoben hat. Im vielleicht besten Stück des Buches, das in den USA für den National Book Award nominiert ist, erzählt ein Ex-Marine einer Kommilitonin, die als Kriegsgegnerin zunächst nichts von ihm wissen will, von seiner Zeit im Irak, von seinen schmerzhaften Erfahrungen, von albtraumhaften Bildern, von seiner Verzweiflung. Es ist keine Heldenerzählung. In einer weiteren Geschichte folgt der Leser einem Soldaten der Abteilung für Wiederaufbau, der immer wieder an Inkompetenzen und Abstrusitäten scheitert und der von einem Kongressmitglied gezwungen wird, den Irakern die Demokratie mit Hilfe von Baseball näher zu bringen.
Klays Buch lebt nicht von actiongeladenen, bluttriefenden Szenen, sondern von fein konstruierten Handlungen, die dem Alltag des Krieges in all seinen Dimensionen wohl sehr nahe kommen. Sein bissiger Humor, seine schnörkellose Sprache, seine Fähigkeit, das schwarze Geschwür des Krieges wie ein Chirurg offenzulegen, sind meisterhaft und erstaunlich für einen so jungen Autoren. Eine leichte Lektüre ist dieses Buch sicher nicht. Nein, es ist sogar eine erschreckende Lektüre. Aber eine äußerst gewinnende, wenn man bereit ist, Fragen über den Krieg, über seinen Sinn, über seine Zerstörungswut zuzulassen, die nicht nach dem üblichen Schwarz-Weiß-Schema konstruiert sind. Und wenn man darauf vorbereitet ist, nicht auf all diese Fragen eine Antwort zu bekommen.