Ginge es nach Sophia Hoffmann, dann würden wir wieder mehr mit Essen spielen. Meint sie damit Erbsenschlachten? Rosinenschleudern? Nein, der 36-jährigen Köchin, Kochbuchautorin und Videobloggerin geht es um bewussten Konsum fair produzierter Lebensmittel: „Meine Rezepte sollen als Inspiration dienen, zeigen, wie einfach und lecker es ist, tierische Produkte wegzulassen.“ So finden sich auf ihrem Blog und dem Youtube-Kanal „Sophias vegane Welt“ schon mal ein „Bowie Tribute Dinner“, ein „Game of Thrones Chili“ oder etwas namens „Regenbogenberg“.
Im Oktober erschien Hoffmanns zweites Buch: „Vegan Queens“. Darin stellt die ehemalige Journalistin neben veganen Rezepten auch Frauen vor – Köchinnen, Bäckerinnen, Erzeugerinnen –, die sich in der immer noch von Männern dominierten Gastronomie selbstständig machten. „Veganismus gilt ja als stark weiblich belegtes Thema“, sagt Hoffmann, „anscheinend hat sich hier ein Biotop gebildet, das mehr mutige Gründerinnen hervorbringt.“ Bevor die gebürtige Münchnerin nach Berlin zog, lebte sie lange in Wien. Dass die in Österreich kurz bevorstehende Bundespräsidentschaftswahl Hoffmann besonders beschäftigt, zeigen auch die Linktipps, die sie diese Woche für fluter.de ausgewählt und kommentiert hat.
Lesen
Selber schuld ...
Wieder einmal gab es diese Woche erschütternde News dazu, wie stark Rape Culture und Slut Shaming immer noch in unserer westlichen Gesellschaft verankert sind. Laut einer europaweiten Studie finden 27 Prozent der Befragten „Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung“ („non consensual intercourse“) unter bestimmten Umständen gerechtfertigt. Etwa wenn das Opfer alkoholisiert ist, Drogen genommen oder dem Täter „schöne Augen“ gemacht hat. Bei den Auswertungen der Studie geben Experten zwar zu bedenken, dass bei der Befragung nicht explizit der Begriff „Vergewaltigung“ verwendet wurde, doch das Ergebnis bleibt dasselbe. Ein Armutszeugnis für eine angeblich aufgeklärte, moderne Gesellschaft.
Stern: „Jeder vierte Deutsche findet Vergewaltigungen manchmal gerechtfertigt“
Da ich selbst zum Opfer sexueller Gewalt wurde und mich entschlossen habe, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, um anderen Frauen Mut zu machen, trifft mich dieses Ergebnis umso härter. Weil dies ein Teil meiner persönlichen Geschichte ist, mit der ich mal schlechter, mal besser lebe, werde ich mich unermüdlich dafür einsetzen, dass Frauen endlich nicht mehr zu Mittäterinnen gemacht werden. Es darf keine Entschuldigungen für Täter geben. So eine Tat ist unentschuldbar.
Edition F: „Ich bin vergewaltigt worden – warum ich nicht länger schweige“
Schauen
... hättet ihr halt aufgepasst!
Die Bloggerin Franziska von Kempis aka „Die besorgte Bürgerin“ hat zusammen mit anderen Frauen ein Video veröffentlicht, das sich ebenfalls mit dieser Thematik auseinandersetzt. Unter dem Titel „Pass auf!“ wird noch mal klargemacht, wie die Mechanismen der Opfer-Täter-Umkehr funktionieren und warum wir alles tun müssen, um diese zu durchbrechen.
Besorgte Bürgerin: „#PassAuf!“
Der Schauspieler und Videomacher Dylan Marron nimmt sich des Themas Rape Culture mit Humor an. Auf dem Youtube-Channel SeriouslyTV interpretiert er das Online-Phänomen „Unpacking“ neu. Statt klassisch Konsumgegenstände vor laufender Kamera aus dem Zellophan zu schälen, öffnet er in jeder Folge eine neue Büchse der Pandora und beleuchtet soziale Missstände während des Auspackens.
Seriously TV: „Unboxing Rape Culture“
Eine Zeitzeugin zieht Parallelen
Die Pensionistin Gertrude (89) hatte den Bundespräsidentschaftskandidaten der österreichischen Grünen, Alexander van der Bellen, selbst kontaktiert. Als Überlebende des Holocaust wolle sie einen Appell setzen gegen den Rechtspopulismus der FPÖ. Fast fünf Minuten lang erzählt die alte Dame in einem Video von ihren eigenen Erfahrungen und den Parallelen, die sie zum aktuellen Zeitgeschehen sieht. Van der Bellen veröffentlichte es auf seiner Facebookseite. Erst am Ende des Videos erfährt der Zuschauer, dass ihre gesamte Familie im KZ Auschwitz ums Leben kam, sie ist die einzige Überlebende. Diese eindringliche Botschaft wurde von vielen Usern begrüßt und auf Facebook geteilt, aber es gab auch wieder rechte Hetze und Hasskommentatoren, die behaupten, die Dame würde von den Grünen instrumentalisiert. Dieser zutiefst unmoralische Vorwurf an eine KZ-Überlebende überschreitet erneut eine Grenze, von der ich niemals gedacht hätte, dass sie im deutschsprachigen Raum jemals wieder überschritten werden kann. Ein libanesisches Restaurant in Wien wurde mit FPÖ-gekennzeichneten Hasspamphleten beklebt, auf denen steht: „Halt dich fern vom Araberschuft, kauf nur beim Austrier!“
Wehret den Anfängen.
Gertrude: „Für mich ist es wahrscheinlich die letzte Wahl“
„Entarteter Abschaum“
Der österreichische Modedesigner Karl Michael postet vor der „Längsten Wahl der Welt“ im Netz ein Pro-van-der-Bellen-Video. Dieses wird von rechten Seiten und in Foren geteilt und tausendfach hasskommentiert. Dem „entarteten Abschaum“ wird empfohlen, Selbstmord zu begehen, und wieder einmal bleiben Dutzende Meldungen dieser Kommentare auf Facebook ohne jegliche Folgen für die Hetzer. Zusammen mit anderen jungen Medien stellt sich die österreichische „Vice“ hinter Michael, der furchtlos weitere Videos teilt.
Vice: „,Entarteter Abschaum’: So beschimpfen FPÖ-Fans einen homosexuellen VdB-Unterstützer“
„I was not good at hiding myself“
Die türkische Fotografin Eylül Aslan ist nicht nur eine großartige Künstlerin mit einem unverkennbaren Stil. Sie schafft es auch, subtile weibliche Erotik auf verspielte Art und Weise einzufangen. Von klein auf musste sie sich in einem höchst konservativen Umfeld behaupten und hat es trotzdem geschafft, immer ihrer Leidenschaft zu folgen. Von ihrem Werdegang und von der Wichtigkeit, die eigene Leidenschaft zu nähren, spricht sie im TED Talk.
2016, seriously?
Die Schwestern Nicola und Rosie Dempsey bestechen als Comedy-Duo Flo & Joan mit ihrem trockenen britischen Humor. Ihre Spezialität sind minimal instrumentalisierte Songs, in denen sie sich die größeren und kleineren Probleme der Menschheit vorknöpfen. Dem Jahr 2016 haben sie letzte Woche ein Hass-Ständchen gewidmet, das wieder einmal zeigt, dass Humor die beste Waffe gegen pure Verzweiflung ist. Sie knöpfen sich das Jahr vor, fragen, ob es zu viel gesoffen hat oder warum es auf einmal alle coolen Leute sterben lässt. Was soll der ganze Mist mit Trump, Rape Culture, Terrorismus usw., und kann man nicht einfach noch mal einen Neustart machen? Und als ob das alles noch nicht genug wäre, wer zur Hölle ist dafür verantwortlich, dass „Cats“ am Broadway neu aufgelegt wurde? What a bloody-nasty-messy-boobie-fuck-to-do!
Hören
„Whipping America back into shape ...
... one middle aged white man at a time!“ So lautete die Wahlkampfansage der US-Domina Tara Indiana, die sich auch um das amerikanische Präsidentschaftsamt bewarb. Wie wir heute wissen, ist daraus leider nichts geworden, aber träumen wird man doch noch dürfen. Von starken Frauen, die mal ein bisschen aufräumen auf diesem korrupten, morbiden Planeten. Im Podcast von Sex-Nerd Sandra spricht Tara nicht nur über ihre Female Supremacy Party, sondern stellt aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen auch so ihre Vermutungen an, worauf Donald Trumps misogyne Verhaltensweise zurückzuführen sein könnte. Sehr unterhaltsam und schlüssig.
Nerdist: „Sex Nerd Sandra #211: Dominatrix for President with Tara Indiana!“
Kochen
Unendlich viel Happa-Happa
Als vegane Köchin, die medial vertreten ist, geht mir das ewige „Vegan/nicht vegan“-Gequatsche echt langsam auf die Nerven. Wir alle wissen mittlerweile, dass industrielle Tierhaltung stark zum Klimawandel beiträgt, Milch und Fleisch zu billig sind und zu viel davon uns krank macht. Ich bin nicht dogmatisch, ist nicht mein Ding. Aber wir alle müssen langfristig weniger Schnitzel essen, sonst haben unsere Kinder keine Zukunft mehr auf diesem Planeten. Fakt. Als allgemeine Verbraucherinformation möchte ich hier meine liebste Seite für pflanzliche Rezepte teilen, eine schier unerschöpfliche Quelle für vegane Leckereien. Auch weihnachtsgeeignet!
Auf „Finding Vegan“ gibt es ALLES, und so schließe ich: „Ja, vegan schmeckt. Schmeckt es nicht, hat wahrscheinlich einfach jemand schlecht gekocht.“
Titelbild: Renke Brandt