Mutant Hero Turtles – die Angst vor einem Atomkrieg

Was tun, wenn die Atombombe fällt? Bert, die Zeichentrick-Schildkröte, machte es vor: „Duck and cover“, ducken und sich bedecken. Bert war die Hauptfigur des gleichnamigen Schulungsfilms der US-Zivilverteidigungsbehörde in den 1950er-Jahren. Er sollte Kindern zeigen, wie man eine nukleare Explosion überleben konnte. Aus heutiger Sicht wirkt der Film unfreiwillig komisch, wie eine Mischung aus Verkehrserziehung und schlechter Science-Fiction. Damals aber war er ernst gemeint. Denn Ende der 1940er-Jahre hatten die USA ihr Monopol auf die Atombombe verloren. Auch die Sowjetunion und später rund ein Dutzend weiterer Staaten besaßen nukleare Sprengköpfe. Nun standen sich die verfeindeten Weltmächte mit Waffen gegenüber, die den Kontrahenten gleich mehrfach hätten vernichten können.

Aus Angst ließen sich manche US-Amerikaner private Mini-Bunker in ihren Garten setzen. Von 1960 bis 1972 wurde in der Bundesrepublik ein riesiger Bunker für Regierung, Parlament, Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr gebaut. 3.000 Menschen hätten hier im Ernstfall von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen 30 Tage lang die Bundesrepublik Deutschland am Leben erhalten. Der Bunker liegt südlich von Bonn in der Eifel. Die angrenzende Autobahn A 61 ist auf einem rund zwei Kilometer langen Stück schnurgerade und brückenfrei – so konnte man die Strecke als Landebahn verwenden. 1997 wurde der Bunker aufgegeben. Anfang der 1960er-Jahre startete das Bundesernährungsministerium für Privathaushalte die „Aktion Eichhörnchen“. Jeder sollte einen Krisenvorrat anlegen, das Motto hieß: „Denke dran, schaffe Vorrat ran“. Wenn man schon nicht für jeden einen Bunker bauen konnte, wollte man zumindest genug Grundnahrungsmittel für zwei Wochen haben. Die Aufrufe zum Hamstern blieben allerdings fast wirkungslos.

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cms-image-000044519.jpg (Illustration: Daniel le Bon)
(Illustration: Daniel le Bon)

Kopftuch unter Verdacht – Die Angst vor Islamismus 

Schon vor Monaten, als „Charlie Hebdo“ nur Frankreich- und Satirekennern ein Begriff war, brachte das Politikmagazin „Cicero“ die Angst aufs Glanzpapier: „Ist der Islam böse?“, fragte die Titelzeile im August 2014. „Ein Glaube zum Fürchten“, überschrieb der „Focus“ im November eine seiner Titelgeschichten. Und seit vergangenem Oktober demonstriert Pegida auf deutschen Straßen, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Nach den Anschlägen von Paris am 7. Januar dieses Jahres herrscht nun wieder akute Terrorangst.

Die Islamfeindlichkeit, nicht ganz korrekt auch Islamophobie genannt, hat in den westlichen Staaten einen weiteren Schub bekommen. In den Tagen nach dem Anschlag wurden Dutzende Moscheen angegriffen: Die Angreifer warfen Brandsätze oder Schweineköpfe in die Gebetshäuser. Die moderne Islamfeindlichkeit ist kein neues Phänomen, schon in mittelalterlich-christlichen Bildern wurde der Islam mitunter als bedrohlich dargestellt. Doch erst seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, die von islamistischen Tätern ausgeführt wurden, entstand ein breiter islamfeindlicher Diskurs in den westlichen Staaten. Darin werden Terrorismus, der Islam und die Muslime oftmals gleichgesetzt, zumindest aber in große ideologische Nähe zueinander gebracht. Eines spielt in den Debatten allerdings kaum eine Rolle: Die meisten Opfer islamistischen Terrors sind selbst Muslime.

Jan Ludwig lebt als freier Journalist in Israel. Dort gehört es zum Alltag, mit Angst umzugehen: Jeder zweite Israeli besitzt eine Gasmaske, mancher auch Spritzen mit dem Nervengas-Gegengift Atropin.