Bis zu zwölf Stunden kann der Aufenthalt in einem Beautyshop an der Elfenbeinküste dauern. Stunden, in denen mehrere Mitarbeiterinnen die Haare ihrer Kundinnen glätten, föhnen, flechten, chemische Cremes auftragen, Perücken fixieren oder künstliche Verlängerungen einarbeiten. Oft verlassen die Frauen den Haarsalon mit dem Gefühl, ihr Kopf klemme in einem Schraubstock – meist sind die Zöpfe so fest geflochten, dass sie nachts kaum schlafen können. Schmerztabletten helfen, praktischerweise verkaufen sie manche Friseurgeschäfte gleich mit.
In der Kolonialzeit sahen die Europäer die Haarpracht vieler Afrikaner als rückständig, unzivilisiert und primitiv an – ihre eigenen glatten Haare galten ihnen als Symbol für Gepflegtheit und Wohlstand. Zwar liegt die koloniale Rassenlehre lange zurück, doch ihre Auswirkungen sind noch in der Gegenwart sichtbar: So verbieten zum Beispiel bis heute einige Arbeitgeber ihren Angestellten, mit ihrer natürlichen Haarpracht zum Job zu erscheinen. Und noch immer gilt alles „Weiße“ in den Augen vieler schwarzer Frauen als universelles, erstrebenswertes Schönheitsideal – um diesem Ideal so nah wie möglich zu kommen, schmieren sie sich ätzende Säuren, Chemiepasten und giftige Bleichmittel auf Haut und Haare. Dass Frisuren ein politisches Statement sein können, zeigte sich bereits während der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, als der Afro für die selbstbewusste Ablehnung weißer Schönheitsnormen stand und natürliche Haare zum Widerstandszeichen wurden. „Black is beautiful“ hieß es nun. Nach der Jahrtausendwende erstarkte diese Bewegung auch auf dem afrikanischen Kontinent. „Natural Hair Movement“ beschreibt ein neues Selbstbewusstsein, statt chemischer Kosmetikprodukte benutzen Frauen natürliche Substanzen wie Joghurt, Essig oder Honig, um die Haare zu pflegen. In Blogs wie „myfroandi“ oder „thekinkandi“ tauscht man Ideen aus, gibt einander Rat, macht Mut.
Und so sind all die Fotos, die stolz die wachsende Haarpracht präsentieren, mehr als ein banaler, schnelllebiger Modetrend. Sie sind Teil eines Aufstandes: gegen die Ideale der Werbung, der Kosmetikindustrie, gegen (post-)koloniale Schönheitsbilder.