Andy Fetschers „Urban Explorer“ wurde auf dem Screamfest Horror Film Festival in Los Angeles mehrfach ausgezeichnet. Ein anderer Film von ihm heißt „Bukarest Fleisch“, darin geht es um Gammelfleisch. Sehr modern also der Mann. Deshalb wollten wir unbedingt mal mit ihm sprechen.
fluter: Erinnerst du dich noch an den ersten Film, bei dem du so richtig Schiss gehabt hast?
Andy Fetscher: Das erste Mal richtig Angst hatte ich bei „Alien“, den habe ich mit sechs Jahren gesehen, weil mein älterer Bruder mich gezwungen hat.
Hat es dir dennoch gefallen?
Die erste Stunde war fürchterlich, aber danach war ich einfach nur gefesselt. Es gibt eine faszinierende Szene, in der der Android mit einem Feuerlöscher in Stücke geschlagen wird und das weiße Blut aus ihm rausspritzt.
Was ist eigentlich das Tolle daran, sich durch Filme Angst einjagen zu lassen?
Ich finde das Horror-Genre deswegen so wichtig, weil es eine reinigende Wirkung auf uns Zuschauer hat. Es ist wie eine Achterbahnfahrt. Wenn du nach oben fährst, fängt dein Herz an zu klopfen und du weißt: Jetzt kommt der schlimmste Moment deines Lebens. Aber danach bist du unglaublich erleichtert, weil du diese wahnsinnige Tortur überstanden hast.
Filme, die Angst machen, tun den Menschen also gut?
Ein Freund von mir hat seiner Freundin zumindest spontan einen Heiratsantrag gemacht, nachdem die beiden „The Sixth Sense“ im Kino gesehen hatten. Es hat mich beeindruckt, dass ein Film so was auslösen kann. Nicht umsonst suchen sich viele amerikanische Teenager bevorzugt Horrorfilme im Kino aus, weil man sich da so schön aneinanderkuscheln kann.
Der Horrorfilm-Regisseur George A. Romero verarbeitete in „Die Nacht der lebenden Toten“ angeblich die Rassen- und Studentenunruhen während des Vietnamkriegs. Versteckst du auch politische Botschaften in deinen Filmen?
Horrorgeschichten waren schon immer prädestiniert dazu, auf eine parabelartige Weise politische Botschaften zu vermitteln. Romero ist da der Klassiker. Aber ich will mit meinen Filmen einfach nur unterhalten, eine politische Message habe ich nicht.
Warum gibt es hierzulande so wenige Regisseure, die Horrorfilme drehen?
Das Genre ist verpönt. Auch ich hatte da schnell meinen Stempel weg. Die meisten Horrorfilmregisseure führen ein Schattendasein, weil die Filmförderungsanstalten in Deutschland Angst haben, solche Filme zu unterstützen. Es gibt im Grunde keinen Weg, einen Horrorfilm zu machen – außer man finanziert ihn privat.
Reagieren Menschen auf der ganzen Welt gleich auf Horrorfilme?
Jedes Land hat seinen eigenen Code für Horror und Angst. Im asiatischen Horrorfilm sind zum Beispiel öfter lange, schwarze Haare oder Wasser zu sehen. Das sind Sachen, die den Menschen dort eiskalte Schauer über den Rücken laufen lassen. Bei uns spielt dagegen eher das Thema der Schuld eine große Rolle.
Müssen denn Horrorfilme immer so wahnsinnig brutal sein?
Nein, Angst kann auch sehr diffus erzeugt werden indem man mit dem Unterbewusstsein spielt. In den besten Horrorfilmen sieht man ja auch nicht viel. Ich finde aber, dass man an ein, zwei Stellen in einem Film doch etwas zeigen sollte.
In deinem Film „Urban Explorer“ wird eine der Hauptpersonen gehäutet …
Ich hatte gar nicht geplant, so wahnsinnig brutal zu werden. Aber das ist eben der Brocken Fleisch, den ich dem Zuschauer hinwerfen wollte.
Trotzdem ganz schön heftig …
Na ja. Im „Tatort“ habe ich mal gesehen, wie ein Mörder fünf oder sechs Mal mit dem Jeep über eine Frau gefahren ist, und die hat immer noch gelebt. Das war wesentlich schlimmer als in manchen Filmen, die eine Altersfreigabe ab 18 bekommen.
Fabian Dietrich ist nicht so der schreckhafte Typ. Der Journalist (u.a. Fluter, Dummy) fürchtet sich aber sehr bei Filmen von Lars von Trier, Michael Haneke und Gaspar Noé.
Fotos: Target Presse Agentur GmbH