Yuri Orlov hat eine einfache Regel: „Ziehe niemals in den Krieg!“ Geht es um ihn selbst, könnte der Waffenhändler glatt als friedliebender Mensch durchgehen: Er ergreift nie Partei, handelt und verhandelt mit allen Seiten, hat noch nie einen Menschen getötet. Es sind die anderen, die das tun – mit seinen Waffen. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, in den 1990er-Jahren, liefert er Sprengköpfe und Maschinenpistolen in große Kriegs- und Krisengebiete auf der ganzen Welt: nach Afghanistan, Sierra Leone, Liberia und in den Libanon. Wird in Afrika ein Kindersoldat getötet, stammen Kugel und Gewehr mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihm. Mit Bildern von afrikanischen Kindersoldaten steigt der Film in einer erschütternden Montage denn auch ein.

Geschickt vermeidet es Regisseur Andrew Niccol („Gattaca“), dass wir diesem Mann böse sein können. Im Grunde ist Yuri (Nicolas Cage) ein amerikanischer Held: Als Kind mit der Familie aus der Ukraine eingewandert, wird er im New Yorker Migrantenstadtteil Little Odessa mit der russischen Mafia konfrontiert und entflieht der Armut durch sein eigenes Geschäft. Der Untergang der Sowjetunion 1991 wird zu seiner persönlichen Sternstunde: Riesige Waffenarsenale vor allem in der Ukraine, seiner alten Heimat, bewacht von frustrierten Generälen ohne Order und Lohn, werden billig gekauft und teuer verscherbelt. Von dem Geld leistet sich Yuri eine Luxuswohnung, eine Luxusfrau und ein Leben voller Abenteuer, das uns auf geradezu verbotene Weise in den Bann zieht. Das Verrückte: Nichts davon ist wirklich wahr, und doch ist es genau so gewesen.

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cms-image-000043573.jpg (Foto: 20th Century Fox | Hollywood Collection)
(Foto: 20th Century Fox | Hollywood Collection)

Mit Wiktor But, dem realen „Händler des Todes“, dessen Biografie ursprünglich als Vorlage für die Geschichte des Films diente und der erst 2008, drei Jahre nach „Lord of War“, in Thailand verhaftet und 2011 in den USA verurteilt wurde, hat die Filmfigur vermutlich nicht mehr viel zu tun. Nicolas Cage bestreitet den Film nahezu allein durch sein Charisma, erzählt sein Leben als Räuberpistole in ausgedehnten Voice-overs, oft mit Blick in die Kamera. Wie cool Orlov neben betrunkenen Generälen oder blutrünstigen Warlords bleibt, die immer wieder sein Leben bedrohen, nötigt dem Zuschauer Respekt für die Figur ab.

Regisseur Niccol macht uns zu Komplizen von Orlovs Zynismus, um seiner am Ende unmissverständlichen Botschaft die gewünschte Wirkung zu verleihen: Uneindeutigkeit. Yuri Orlov ist bei ihm kein Mann, den wir einfach hassen können. Dafür gleicht er uns zu sehr, auch in seiner Gedankenlosigkeit. Neun von zehn Kriegsopfern, heißt es einmal im Film, werden mit Sturmgewehren und Kleinwaffen getötet, wie er sie verkauft. Die von ihm als Schmuckstück gepriesene AK-47, die sogenannte Kalaschnikow, ist die wahre Massenvernichtungswaffe.

„Lord of War“ seinerseits verkauft diese Botschaft einprägsam, wenn auch nicht immer subtil. Im Macho-Weltbild der Hauptfigur werden Waffen mit Frauen gleichgesetzt, die man sich von der Ukraine bis Westafrika einfach „nehmen“ muss, weil sie auf Orlov und seinesgleichen scheinbar einen fast körperlichen Reiz ausüben. Und Kokain gehört zum Luxus immer dazu und der Soundtrack („Money“ oder eben „Cocaine“) kommt stets genau auf den Punkt. Wie jeder Film mit Nicolas Cage hat auch dieser einen Hang zur Groteske.

Doch dieses Plakative bewirkt, dass der Film auch nach fast zehn Jahren immer noch bewegt. Penibel recherchiert und doch größtenteils fiktiv, erweist er sich als erstaunlich aktuell. Nicht nur sind die Kriegsschauplätze auf tragische Weise dieselben geblieben. Mit dem skrupellosen Waffenhändler haben Niccol und Cage einen zeitlosen Typus erschaffen, der wie eine Kinofigur wirkt und uns doch aus dem richtigen Leben bekannt ist – ob als Wirtschaftsführer, Banker oder Politiker. Die sind in Orlovs Weltbild noch immer die größten Waffenhändler. Bei dem abgebildeten Kriegsgerät handelt es sich übrigens meist um echte Waffen. Sie waren einfach billiger als Nachahmungen.