Natürlich haben sie ihn gewarnt. Ein Buchverlag? Ausgerechnet jetzt, wo doch zunehmend weniger gelesen würde – und wenn, dann doch eher im Internet. Sprüche eben, die Leute machen, die gern was in den Medien aufschnappen. Aber Sebastian Guggolz liebt nun mal das gedruckte Wort: In der Oberstufe hatte er Deutsch als Leistungskurs, danach studierte er Literaturwissenschaft, und als er fertig war, begann er ein Praktikum bei einem Buchverlag. Mit 23 hatte er das gute Gefühl, genau das zu tun, was er tun wollte.
Vom Praktikanten stieg er schnell zum Lektor auf, und weil der Verlag so klein war, musste er auch andere Arbeiten erledigen: Marketing, Vertrieb, Druck, Pressetexte – alles, was das Verlagsgeschäft so ausmacht. „Das hätte ich in dieser Vielfalt in einem großen Verlag nie haben können“, sagt Sebastian, der sich wohlfühlte in seinem Job und dennoch spürte, dass er manche Sachen anders machen würde als sein Chef.
Ein Verlag für vergessene Autoren aus Nordosteuropa? Die Banken winken ab
Nach sechs Jahren kündigte er seinen Job und beantragte beim Arbeitsamt einen Existenzgründerzuschuss. Dann überlegte er, was denn der Guggolz Verlag für ein Verlag sein sollte, und entschied, vergessene Autoren aus Nordosteuropa wiederzuentdecken – aus Finnland zum Beispiel oder aus Weißrussland. Das war auch so ein Punkt, an dem die Menschen, denen er das erzählte, die Hände über dem Kopf zusammenschlugen.
Laut Businessplan brauchte er 50.000 Euro von der Bank, aber 13 von 15 Geldinstituten, denen er sein Konzept schickte, winkten sofort ab. Die Gespräche bei den beiden anderen waren nach 15 Minuten beendet. Doch Sebastian blieb hartnäckig und fand schließlich doch noch eine Bank – zu Hause in seinem Heimatort. Auch von seinen Eltern wurde er bestärkt, obwohl sie selbst kein Geld beisteuern konnten. „Mach das mal, du schaffst das schon“ – so in etwa sah ihre Starthilfe aus, und diese Worte waren für Sebastian genauso wichtig wie das Geld der Bank.
„Die Möglichkeit des Scheiterns gibt es immer“
Und dann ging es tatsächlich los: Sebastian mietete ein Büro, ließ zwei Bücher übersetzen, auf die er bei seinen Recherchen gestoßen war (eins aus Finnland, eins aus Weißrussland), kümmerte sich um eine schöne Gestaltung und ließ jeweils 2.000 Exemplare drucken. Dann schickte er eine Verlagsvorschau an die Buchhändler und wartete auf Bestellungen. „Als erst einmal gar nichts passierte, habe ich gedacht: O Gott, was ist, wenn niemand die Bücher will?“ Aber schon als der erste Karton aus der Druckerei eintraf, waren die Bedenken verflogen. Er packte die frisch gedruckten Bücher aus, seine Bücher, die es ohne ihn nie gegeben hätte. „Schon für diesen Moment hatte es sich gelohnt“, sagt Sebastian, „selbst wenn ich kein einziges verkauft hätte.“
Doch dann kamen auch die Bestellungen, und zwar mehr als gedacht. Sebastian hatte Glück, dass Finnland das Partnerland der jüngsten Frankfurter Buchmesse war. Plötzlich war er der Verleger, der den einzigen finnischen Literaturnobelpreisträger im Programm hatte. Das finnische Fernsehen kam vorbei, und in den Zeitungen erschienen Lobeshymnen auf ihn, den mutigen Jungverleger.
Insgesamt hat Sebastian seine Kosten schon fast wieder drin. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, korrigiert er aber noch nebenbei Artikel für Zeitschriften. Das macht ihm nichts aus, denn mit den nächsten Büchern könnte er schon in die Gewinnzone kommen. Oder Pleite machen. „Die Möglichkeit des Scheiterns gibt es immer“, sagt er, „aber wenn man kein Risiko eingeht, läuft ja gar nichts.“
Illustration: Falko Ohlmert
Foto: Alena Schmick