Eigentlich wollte ein preisgekrönter österreichischer Schnapsbrenner nur mal kontrollieren, wie es um seine neueste Kreation stand, als er an einem Mittwochabend im November 2009 in den Keller hinabstieg. Dort lagerte das grob zermahlene Obst in Kesseln, während Hefen den Fruchtzucker langsam zu Alkohol umsetzten. Doch er bemerkte, dass ein Rührstab klemmte, beugte sich über den Kessel — und erstickte binnen Sekunden. Als ihn sein 13-jähriger Sohn am nächsten Morgen fand, hing der Schnapsbrenner tot über dem Kesselrand. Schuld war Kohlendioxid. Denn für jedes Alkoholmolekül, das die Hefepilze produzieren, bilden sie auch ein Molekül CO2. Aber das Gas ist unscheinbar, es hat weder Geruch noch Farbe. Das führt immer wieder zu tragischen Unfällen und erklärt vielleicht auch, warum CO2 vor allem virtuell wahrgenommen wird als Klimagift. Dabei begegnen wir dem Gas im Alltag häufig genug: Es lässt das Bier fließen, das Wasser sprudeln und entkoffeiniert den Kaffee. Und außerdem produzieren wir es selbst. Wir atmen jede Minute etwa acht Liter Luft ein und wieder aus. Auf dem Weg in unsere Lungen befindet sich kaum Kohlendioxid in der Luft, beim Ausatmen sind es rund 330 Milliliter. Eine kleine Dose voll schlechtem Klimagewissen. Jede Minute. 500 Liter am Tag. Auch Chemiekonzerne produzieren Kohlendioxid. Aber statt eines schlechten Gewissens bringt ihnen das Geld, um die 100 Euro pro Tonne, je nach Reinheit und Jahreszeit. Denn CO2 ist keineswegs nur ein lästiges Abfallprodukt, das der Erde einheizt. Die Industrie benötigt das Gas, besonders Getränkehersteller. Sie versetzen damit Wasser und Limonaden. Das Gas löst sich darin als Kohlensäure und erzeugt das erfrischende Prickeln auf der Zunge. Forscher vermuten, dass durch die Reizung der Schleimhäute als eine Art Schmerzausgleich Glückshormone freigesetzt werden.
Aber auch sonst ist CO2 wichtig in der Lebensmittelindustrie. Weil Sauerstoff für die meisten Lebensmittel schädlich ist, werden sie unter einer Schutzatmosphäre verpackt. Das CO2 darin hemmt auch das Wachstum von Keimen. Viele Lebensmittel werden außerdem schockgefrostet. Für den Transport werden sie dann mit Trockeneis gekühlt, gefrorenem CO2. Selbst Lightzigaretten und entkoffeinierten Kaffee verdanken wir Kohlendioxid. Das Gas wird bei hohem Druck als Flüssigkeit mit dem Kaffee in Berührung gebracht. Ein Großteil des Koffeins löst sich dabei im Kohlendioxid und kann so leicht abgetrennt werden. Dasselbe Prinzip lässt sich anwenden, um Kleidung mit Kohlendioxid zu reinigen. Denn Fettpartikel und anderer Schmutz lösen sich in der Flüssigkeit ebenfalls sehr gut. Selbst als Rohstoff wird das vielseitige Kohlendioxid inzwischen diskutiert. Forscher versuchen aus dem Gas Kunststoffe herzustellen. Das ist allerdings nicht so leicht. Denn Kohlendioxid ist chemisch gesehen tot. Wenn etwa ein Stock brennt, dann wird in der lodernden Flamme jedes einzelne Kohlenstoffatom von je zwei Sauerstoffatomen dem Holz entrissen. Es bildet sich Kohlendioxid und jede Menge Energie wird frei. Deshalb brennt das Feuer weiter, aber dabei gibt das Kohlenstoffatom eben auch all seine Energie ab. Chemiker müssen daher mit besonders energiereichen, reaktionsfreudigen Partnern versuchen, das träge CO2 in neue Verbindungen zu zwingen. Noch gelingt das nur selten und bei der Herstellung der energiereichen Stoffe fällt dann meist wieder neues CO2 an. Keine Hilfe also bei der Klimabilanz. Dagegen kann CO2 als Schutzgas bei Schweißarbeiten und als Feuerlöscher äußerst hilfreich sein. Nur eben nicht immer. Denn neben Flammen erstickt das Gas häufig auch Menschen. Die Bilanz des Gases bleibt also gemischt. Nur eines ist das unscheinbare Gas eben nicht: unwichtig.