Eine bessere Tochter hätte sich Mutter nicht wünschen können: Guillaume, ihr Sohn, spricht und tanzt wie ein Mädchen, fächert sich gern Luft zu und fremdelt mit Sport. Natürlich hält ihn alle Welt für schwul, und das ist gut so – für Mutter. Guillaume selbst ist sich da überhaupt nicht sicher. Ein Ausflug in die Schwulenszene wirkt traumatisierend, die Zuneigung zu Jeremy, dem schönen Engländer, verwirrt ihn. Erlebt er am Ende gar sein heterosexuelles Coming-out? Wäre er dieser psychischen Belastung gewachsen? Und vor allem, was würde Mutter sagen?
In den besten Momenten erinnert Guillaume Galliennes autobiografische Selbstentblößung an die Filme von Pedro Almodóvar. Sein jüngeres Ich, von ihm selbst gespielt, ist ein argloser Träumer, der Geschlechterstereotype über den Haufen wirft, ohne es zu merken. Bewusst tut Gallienne dasselbe, indem er auch noch die Mutter spielt – ein tolldreister Akt, den man lange nicht bemerkt. Sein herrlich bescheuerter und genauso kluger Film ist eine Wohltat für alle, denen das homo-hetero-sexuelle Normenkorsett nicht passt. In Frankreich gab es dafür fünf Césars, den höchsten Filmpreis des Landes.
(Les garçons et Guillaume, à table) Frankreich, Belgien 2013, Buch & Regie: Guillaume Gallienne, mit Guillaume Gallienne, André Marcon, Françoise Fabian, Nanou Garcia, Diane Kruger u.a., ab 12, 87 min, Kinostart: 5. Juni 2014 bei Concorde Filmverleih