Löwen, Bären oder doch Kühe aus bemaltem Kunststoff – durch mehr scheinen sich die Einkaufsstraßen der Großstädte weltweit nicht mehr zu unterscheiden. Denn die Geschäfte, vor denen der Plastikzoo aufgestellt wird, sind immer die gleichen: Douglas neben Kaufhof neben McDonald’s neben Subway neben Starbucks, dann die Hochglanzstores von Esprit, Nike und Benetton,dazwischen eine,zwei oder gar drei H&M-Filialen,Zara,Görtz und eine große Buchhandelskette. Das Ensemble wird eventuell ergänzt durch ein Einkaufszentrum,das wahlweise Piazza,Arkade oder Forum heißt.Die Haupteinkaufsstraßen in Hamburg und Düsseldorf bestehen bereits zu 90 und 89 Prozent aus Filialen großer Ketten,selbst in etwas kleineren Städten wie Bonn (75 Prozent) und Stuttgart (67 Prozent) sieht es ähnlich aus.

In den Innenstädten von Taipeh, Madrid, Rio oder Moskau bietet sich ein entsprechendes Szenario."Es gibt kulturell heute einen globalen Raum,der über das Fernsehen in der ganzen Welt westliche Lifestyles vermittelt, an denen die Menschen teilhaben wollen. Diese Lifestyles werden vor allem über einige wenige Marken vermittelt,und deshalb wollen Menschen weltweit genau diese Marken haben", erklärt Stephan Lanz, Stadtplaner und Dozent an der Europa-Universität Frankfurt/Oder, die Entwicklung der Innenstädte. 

Seit sich die Industrien in ländlichere Räume oder Billiglohnländer zurückgezogen haben,kämpfen die großen Städte in einem globalen Standortwettbewerb um Investoren,Konzernzentralen und -filialen, um die jungen kaufkräftigen Dienstleistungseliten,die in die Stadt ziehen sollen,und vor allem um Touristen."Es gilt mittlerweile als notwendiger Teil einer Stadt, dass man eine bestimmte Bandbreite von Handel und Shopping anbieten kann",sagt Lanz.Touristen wollen auf ihrer Reise in den gleichen Geschäften einkaufen können wie zu Hause.Verstärkt wird der Effekt dadurch, dass sich lediglich große Konzerne für ihre Filialen die hohen Mieten in Innenstädten überhaupt noch leisten können – im Unterschied zu kleinen, alteingesessenen Geschäften. Damit sich diese Filialen trotz hoher Mieten dennoch rechnen, werden ihre Verkaufsflächen immer größer. Der Vorteil für den Kunden: Er findet sich auch in fremden Städten im Geschäft gut zurecht – er kennt ja alles. 

Gleichzeitig versuchen die Städte gerade deshalb, die feinen Unterschiede,die es noch gibt,besonders zu betonen,um so ihre Attraktivität im Wettbewerb zu steigern. Einkaufen muss ein Erlebnis sein, damit die Kunden kommen. Um dieses Erlebnis zu bieten, werben die Städte mit unterschiedlichen Angeboten. Die Palette reicht von touristischen Sehenswürdigkeiten über besondere Kulturangebote bis zu einem Stadtstrand.Ein gutes Beispiel dafür ist Bilbao.Bevor der Stararchitekt Frank Gehry dort die Filiale des Guggenheim Museum baute,interessierten sich die Menschen kaum für die spanische Stadt. Heute ist sie bei Touristen sehr beliebt.

"Das Interessante dabei ist", so Lanz, "dass das Unterscheidungspotenzial, das die Städte betonen wollen, immer stärker kommerzialisiert und vermarktet wird.Da sich diese Vermarktung aber an denselben kaufkräftigen Zielgruppen orientiert, werden sich die Städte dennoch ähnlicher." Städte,die an einem Fluss liegen oder einen Hafen haben, versuchen zum Beispiel immer häufiger, die Innenstadt durch eine sogenannte "Waterfront" zu erweitern, woWohnen, Büros, Freizeit, Shopping, Gastronomie und Kultur zu "Urban Entertainment"-Arealen verbunden werden. In Hamburg wird gerade an der Elbphilharmonie und der HafenCity gebaut.Aber auch Duisburg und Ludwigshafen erweitern ihre Innenstädte zum Rhein hin und bauen die ehemaligen Container- und Hafenanlagen zu Uferpromenaden und neuen Stadtteilen aus, die mit Hafenatmosphäre und der vermeintlich einmaligen Lage am Wasser locken. Fast jede Stadt,die an einem Fluss liegt, schüttet mittlerweile im Sommer einige Kubikmeter Sand aus und erklärt die Bretterbude darauf zur "Strandbar". Selbst wenn eine Stadt dem Trend zur Filialisierung entgegenwirken will,hat sie nicht viele Möglichkeiten.München versucht,eine Handvoll Traditionsgeschäfte zu unterstützen, indem die Stadt für Läden im Rathaus am Marienplatz und am Rindermarkt moderate Mieten verlangt."Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen und nicht nur an die vermieten, die am meisten zahlen können", sagt Ursula Grunert vom Münchner Referat für Arbeit und Wirtschaft. 

Zwar gibt es in vielen Städten Arbeitsgemeinschaften, in denen die Stadt, Immobilienbesitzer und die Akteure der Innenstadt, also Banken,Gastronomie und Handel,über die Entwicklung der Innenstadt sprechen. In einigen Bundesländern wie Hessen und dem Stadtstaat Hamburg werden sie sogar durch Gesetze unterstützt.Ihr Engagement führt aber selten zu mehr Vielfalt, dafür zu moderner Weihnachtsdekoration, einer neuen Bepflasterung und dazu, dass Graffiti verschwinden – und die Anmutung der Städte so noch ähnlicher wird. "Wegen des hohen Wettbewerbsdrucks liefern sich die Städte immer stärker an die Logik der Investoren aus", kritisiert Stephan Lanz.

Diese könnten mittlerweile bestimmen, wie groß die Gewerbeflächen sein müssen und was für eine Infrastruktur die Stadt liefern soll. Das geht oft mit der Privatisierung öffentlichen Raums einher.Was öffentlich aussieht,ist es gar nicht mehr.So wie der Potsdamer Platz in Berlin.Dort gehören sogar die Straßen zum großen Teil privaten Unternehmen wie DaimlerChrysler oder Sony. "Die bestimmen auch, was dort stattfinden darf. Politische Demonstrationen in der Regel nicht.Und auch bestimmte Gruppen,die man dort nicht haben will, werden von den konzerneigenen Sicherheitsleuten vertrieben." Bettler, Straßenmusiker, Skater und andere Jugendliche werden an den Rand dieser Zonen gedrängt."Stadtluft",so der Berliner Architektursoziologe Werner Sewing, "macht nicht mehr frei. Stadtluft macht Konsumenten und Touristen."