Eine junge Frau, die auf dem Motorrad über einen Salzsee rast und sich dann mit 200 Sachen hinpackt: Das ist natürlich schon mal ein guter Anfang.

Mit Reno hat die amerikanische Autorin Rachel Kushner eine emanzipierte, kraftstrotzende Romanfigur geschaffen, in die sich nur diejenigen nicht verlieben werden, die Frauen lieber mit lackierten Fingernägeln sehen als mit Dreck darunter. Bei ihrem Motorradunfall kommt Reno indes glimpflich davon. Ihre verstauchten Glieder werden im Trailer eines italienischen Racingteams so hingebungsvoll gepflegt, dass sie ihren Lebensweg schon bald mit Karacho fortsetzen kann. Denn eigentlich will sie ja nach New York zum Leben und Kunstmachen.

Es dauert, bis Reno in dieser hypertrophen Stadt ein paar Freunde findet. Das sind dann vor allem dekadente, gebildete, zynische, geschmackvolle Menschen aus dem Kulturbetrieb – unter ihnen Sandro, Spross einer italienischen Reifen- und Motorraddynastie, der vor seinem latent düsteren Familienerbe geflohen ist. Ein zerrissener Schwerenöter, den der Hang zum Heimatlosen leider auch in seinen Liebesbeziehungen überkommt.

Abgesehen von kleinen Ausflügen (etwa in den Ersten Weltkrieg, in dem einer von Sandros Vorfahren einem deutschen Soldaten den Schädel stilecht mit einem Motorradscheinwerfer einschlägt) spielt „Flammenwerfer“ in den politisch turbulenten 70er-Jahren: Während in Italien die Arbeiter streiken und die Terrororganisation „Rote Brigaden“ Industrielle entführt, treiben in New York nicht weniger kapitalismuskritische Performancekünstler ihren Schabernack. Durch ihre Bekanntschaft mit Sandro wird Reno in all die politischen Zeitläufte hineingezogen. Hier geben alle immerzu Vollgas, auch die Geschichte.

Das Hadern mit der eigenen Herkunft, die diabolische Attraktivität der futuristischen Idee, der Charme der Bourgeoisie, die Solidarität mit den Ausgebeuteten, die Erfahrung von Lug und Betrug: Das alles macht aus der hinreißenden Reno einen noch hinreißenderen Menschen und aus Rachel Kushners Roman ein Buch, das so viel Schmackes hat wie nur wenige.